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Fischsoße - braunes Lebenselixier

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Häufiger Gast in (südost-)asiatischen Küchen: Fischsoße.

Vor einiger Zeit spielte ich mit dem Gedanken, mich etwas gesünder zu ernähren und vermehrt auf Fleisch, Milchprodukte und Eier zu verzichten. Vegan werden war eine Option, die im Raum schwebte, obwohl ich Honig sehr mag und Lederschuhe und Daunenjacken im Winter auch. Aber das wäre irgendwie machbar gewesen.

Beim Kochen einer Gemüsepfanne dachte ich mir: "Ha, das ist so einfach! Ich lass das Fleisch weg und nehm dafür Erdnüsse. Gemüse und Reis sind vegan. Alles easy-peasy! Vietnamesische Küche FTW!"

Dann kippte ich Fischsoße darüber.

Es zischte, nicht nur in der Pfanne, sondern auch in meinem Hirn. Als der Dampf sich lichtete, durchfuhr mich ein Gedanke: Fischsoße ist aus Fisch gemacht. Fisch ist ein Tier. Tier != vegan. Mist. Ich konnte also nicht Veganerin werden. Nicht einmal Vegetarierin. Denn auf Fischsoße verzichten ist für mich keine Option - Fischsoße ist braunes Lebenselixier.

Es gab Zeiten in Deutschland, da Fischsoße oder genauer gesagt Nuoc Mam heftigst abgelehnt wurde. Wo VietnamesInnen ihre Mietwohnungen danach aussuchten, ob die NachbarInnen wegen dem fischigen Geruch Stress machen würden oder nicht. Die Natur der Sache bringt es nun einmal mit sich, dass Fischsoße nach vergorenem Fisch riecht. Doch Fischsoße ist ein essenzieller Bestandteil südostasiatischer Küche. Ohne Fischsoße schmeckt vietnamesisches Essen irgendwie fad.

Laut Wikipedia ist Fischsoße in verschiedenen Ausführungen in weiten Teilen Südostasiens und Ostasiens verbreitet.* Dabei hat jedes Land seine eigenen Vorlieben, was die Zusammensetzung und Zubereitung der Fischsoße angeht. In Vietnam gibt es neben dem puren Nuoc mam auch die für ungeübtere Gaumen leichter essbare Variante Nuoc cham, das als Dip für alles mögliche wunderbar ist und neben Nuoc mam meist Wasser, Limettensaft und Zucker enthält. Manchmal kommen, wie bei uns zu Hause, noch reichlich Knoblauch und Chillies mit rein. Aber ob Nuoc mam oder Nuoc cham - bei uns daheim hieß beides Nuoc mam.

Nuoc Mam gibt vielen Gerichten erst die letzte feine Note und passt überraschend gut nicht nur zu Fisch, sondern auch zu verschiedenen Fleischsorten, zu Gemüse oder Tofu. Vermutlich liegt das an der Geschmackswahrnehmung "umami" - herzhaft, fleischig. Diese Komponente wäre auch durch Zugabe von Mononatriumglutamat zu erreichen, aber ob das besser ist als nicht-vegetarische Fischsoße?

Ich jedenfalls finde mich damit ab, dass mir die Willenskraft fehlt, Vegetarierin zu werden. 


*Interessant ist auch, dass schon die ollen RömerInnen ihre eigene Fischsoße namens Liquamen/Garum hatten.

Diskriminierung/Rassismus im Münchner Hofbräuhaus?

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Jetzt, wo das Münchner Oktoberfest vor der Tür steht, kann man ja mal überprüfen, wie es mit der Willkommenskultur in der bayerischen Landeshauptstadt bestellt ist. Nicht besonders gut, wenn man dieses heimlich gedrehte Youtube-Video betrachtet, das im Münchner Hofbräuhaus aufgenommen wurde:



Darin erklärt der Kameramensch, wie er beobachtet hat, dass von seinem Tisch direkt am Eingang anscheinend systematisch Menschen asiatischer Erscheinung vertrieben werden, mit dem Hinweis, der Tisch sei reserviert. Seltsamerweise ist der Tisch nicht reserviert, als sich weiße BesucherInnen an den Tisch setzen. Er lässt diese gewähren, obwohl sie nichts bestellen.

Ich gehe davon aus, dass der Kameramensch weiß ist, weil er am Tisch sitzen bleiben darf (anders als die asiatisch aussehende Frau). Aber wenn selbst ihm/ihr das offen rassistische Verhalten des Personals auffällt, dann scheint doch was nicht in Ordnung zu sein.

Wenn ich das sehe, kommt mir die Galle hoch. Erst vor einigen Wochen wurde ausführlich über Rassismus an Clubtüren berichtet, und dann sowas. Der "Nur mit Reservierung"-Trick wurde auch dort ausführlich verwendet. Anscheinend haben alle Weißen qua Geburt eine Reservierung erhalten.

Das Hofbräuhaus wird von mir diesbezüglich eine Anfrage erhalten. Ich werde berichten, sollte es Ergebnisse geben.

Dieses Video wurde mir von Leser Herman W. zugespielt zugeschickt. Danke!

Sind Asiatinnen für Deutsche/EuropäerInnen unattraktiv?

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Es gibt die Möglichkeit, mir Mails zu schreiben. Das haben letztens zwei LeserInnen getan - einmal, um mich auf Rassismus im Münchner Hofbräuhaus hinzuweisen und einmal, um mich zur Liebe zu befragen.

Leserin V. schickte mir folgende Zeilen:
"[...]Ich habe nur eine Frage an dich und zwar geht es um das leidige Thema "Liebe". Findest du auch, dass wir Asiatinnen schlechtere Karten haben, einen deutschen/europäischen Partner zu finden?
Zumindest habe ich das Gefühl, dass die meisten deutschen Männer weniger bzw. gar nicht auf Asiatinnen stehen."
Das ist ein erstes Mal, dass ich so um Rat gefragt werde, denn jede/r, der/die mich kennt, weiß, dass ich mit Menschen meine liebe Mühe habe. Ich erinnere mich an ein Date mit einem Typen. Wir standen vor dem Haus, in dem er wohnte. Er merkte an: "Da oben ist meine Wohnung." Ich sagte so etwas wie "Aha" - und ging weiter. Erst Jahre später fiel mir auf, dass er möglicherweise eventuell mit mir ins Bett gehen wollte. So viel also zu meiner Kompetenz in Liebesdingen.

Um zu der Frage zurückzukehren: Interessant ist, wie sie gestellt wurde. "Findest du auch...?" Die Leserin geht davon aus, dass ich ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Das würde ich verneinen. Aber von vorne.

Der Startnachteil

Ich denke, dass AsiatInnen, so wie alle Menschen, die etwas "anders" erscheinen, einen gewissen Startnachteil haben. Asiatische Gesichter sind anders geschnitten und einige Deutsche/Europäer müssen sich immer noch daran gewöhnen, manche empfinden da vielleicht eine gewisse Scheu oder Voreingenommenheit, je nach dem, wie vielfältig die sozialen Kontakte sind, die diese Menschen pflegen. GroßstädterInnen sind anderen Einflüssen ausgesetzt als DorfbewohnerInnen auf dem platten Land. Das macht einen merklichen Unterschied - während ich hier in München eher das Gefühl habe, in der Masse untertauchen zu können, erscheint mir das in meiner Heimat-Kleinstadt unmöglich. Und nach wie vor gibt es RassistInnen, die offen sagen: "Ich steh nicht auf AsiatInnen/TürkInnen/Schwarze". Auf deren Meinung sei geschissen, ebenso auf diejenigen, die "total auf [ethnische Herkunft]" stehen.

Abgesehen von diesem Anfangsnachteil finde ich jedoch nicht, dass asiatische Menschen für Weiße generell unattraktiver sind - ich selbst hatte zum Beispiel bisher nur deutsche/europäische Partner. Und nach drei Tagen auf Tinder (einer neuen Dating-App, bei der man nur anhand Bild, Namen und Kurzbeschreibung sich für oder gegen jemanden entscheidet) stelle ich nicht fest, dass ich zu wenige Matches bekomme. Im Chat spielt mein Hintergrund allenfalls in der Herkunftsfrage eine Rolle - nervig, aber nichts, wo ich ausflippen würde. Die Krux bei all dem ist: Ich kann nur für mich sprechen, abgesehen von meinem asiatischen Äußeren bin ich völlig in der Norm. Ich bin nicht dick, habe keine körperlichen Behinderungen oder andere besondere Merkmale wie ausgeflippte Frisur oder eine Million Tattoos. Wie andere asiatischstämmige Frauen und Männer hinsichtlich ihrer Attraktivität bewertet werden - dieses Urteil wage ich nicht zu fällen.

Generell kann ich folgendes sagen: Attraktivität hängt zwar auch, aber nicht ausschließlich von der Optik ab. Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein machen attraktiv(er). Und ob man auf einer Wellenlänge liegt und die Chemie stimmt. Schließlich können wir auch nicht mit jedem Menschen eng befreundet sein - es kommt sozusagen auf die "Kompatibilität" an. Und da sind Sachen wie Klassenzugehörigkeit, kultureller Bezugsrahmen (hast du als Kind dieselben Zeichentrickfilme gesehen und Süßigkeiten gegessen wie ich") und Bildung ziemlich wichtig.
 

Asian Empowerment

Die Frage ist aber noch nicht komplett beantwortet. Deshalb will ich eine Gegenfrage stellen:  

Hast du selber ein Problem mit deinem Asiatisch-Sein? Fühlst du dich unwohl in deiner eigenen Haut? Ist dir das asiatische an dir peinlich?

Zumindest ich hatte lange Zeit ein Problem damit (vermutlich auch der Grund, warum ich anfing hier zu bloggen). Wenn ich Ablehnung oder negative Reaktionen erfuhr, bezog ich das sehr häufig auf mein Asiatisch-Sein. Dass ich manchmal mich einfach blöd verhielt, irgendwie ungeschickt war oder einfach nur taktlos, fiel mir erst sehr viel später auf.

Falls du so empfindest, wirst du deine eigenen Unsicherheiten in diesem Bereich möglicherweise auf andere projizieren. Unsere deutsche Umgebung ist ziemlich gut darin, uns Asiatische Deutsche zu ignorieren - viele wissen nicht einmal, dass es uns gibt. Dann fühlt sich die Ignoranz der Bio-Deutschen schnell wie offene Ablehnung an. Plötzlich scheint es, als würden andere dein Anders-Aussehen/Anderssein ablehnen, obwohl es vielleicht nur deine verinnerlichten Horrorszenarien sind, die sich da entfalten. Ich will hier Alltagsrassismus auf keinen Fall kleinreden, aber die Umgebung ist manchmal weniger feindlich gesinnt als wir denken. Gedankenlos - ja, auf jeden Fall. Aber die wenigsten sind bösartig.  

Leider bin ich keine Psychologin, um wirklich handfeste Tipps oder gar eine Anleitung fürs Daten zu geben. Nur so viel: Man muss lernen, sich von der (vermeintlichen) Meinung anderer freizumachen. Das ist für Minderheiten wie uns eventuell schwieriger, weil wir nicht nur mit Vorstellungen ringen, was "Deutsch" sein bedeutet, sondern auch was an uns denn "asiatisch/tamil/chinesisch/vietnamesisch/etc." ist - und was letztendlich unsere ganz individuelle Persönlichkeit ausmacht, als Schnittmenge aus unserem Ich, der Familie, Herkunft, Wohnort, sozialen Kontakten. Die Quintessenz klingt banal: Sei du selbst und respektiere dich mit allen deinen Facetten. Dieses ganze Gerede von Selbstfürsorge und Selbstliebe, ehe man zur romantischen Liebe voranschreiten kann: Es stimmt. Es ist zum einen leichter, andere Menschen kennenzulernen, wenn man sich einigermaßen in sich selbst gefestigt fühlt und eine Beziehung (oder eine Affäre) ein nettes Plus sind, aber nicht das eigene Glück definieren. Zum anderen, und das ist viel wichtiger, fühlt man sich einfach in sich selbst wohler. Man ist sich sein eigenes Zuhause. Ob man dann noch jemanden dazu einlädt, kann man dann immer noch entscheiden.

Übrigens habe ich mal meinen Ex-Freund gefragt, warum er mich damals in der Bar eigentlich angesprochen hat und ob mein Asiatisch-Sein eine Rolle gespielt hätte. Er antwortete darauf lapidar: "Ich fand dich einfach süß."

Stellungnahme des Hofbräuhaus

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Ein Update zur Angelegenheit mit dem Hofbräuhaus. Die Antwort kam schon vor einiger Zeit (15. September 2014) bei mir an, nur hatte ich noch keine Zeit gehabt, dies zu verbloggen.
Erst nachdem die Süddeutsche (und später der britische Telegraph) über das Video aus dem Hofbräuhaus berichtet hatte, bewegte sich etwas und ich erhielt überhaupt eine Stellungnahme von der Pressestelle. Es war keine persönliche, sondern eine Massen-E-Mail, die vermutlich an alle Anfragen versendet wurde. Nicht einmal das "FW:" im Betreff wurde entfernt - aber an Enttäuschungen gewöhnt man sich ja.

Ich möchte nicht vorenthalten, was Frau Barthelmeß von der Hofbräuhaus-Pressestelle geschrieben hat, deshalb zitiere ich die gesamte Mail. Anmerkungen von meiner Seite sind fett gedruckt. 
Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihre Aufklärungsarbeit. Danke, dass Sie uns auf das heimlich gefilmte Video aufmerksam gemacht haben.

Das Hofbräuhaus hat jeden Tag geöffnet und wird täglich von Münchnern und der ganzen Welt besucht. Wir sind froh um jeden Gast. Besonders schön ist es, wenn sich die Kulturen an den 150 Stammtischen verbinden. Viele der 3.500 registrierten Stammgäste geben die bayerischen Traditionen und Werte weiter, da kann es schon sein, dass ein Asiate, Amerikaner, Europäer, etc. einen Schnupftabak probieren darf. Neben bayerischen Kollegen haben wir auch Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern, wie auch aus Asien beschäftigt. Für jeden Gast, der Fragen, oder Anregungen hat stehen stets unsere Serviceleiter bereit.

Hier wird das Bild der idyllischen bayerischen Gemütlichkeit gepaart mit Multi-Kulti gezeichnet, wo alle willkommen sind. Sie haben auch asiatischstämmige Mitarbeiter (sic!) im Team. Das klingt nach der alten Argumentationsweise: "Wir können keine RassistInnen sein, wir beschäftigen schließlich auch nicht-weiße Menschen!" Damit erfüllen sie gerade einmal die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht-diskriminierender Verhaltensweisen. Für mich ist das die Stufe 1 menschlichen Anstands, einen Keks gibt es dafür nicht. Weiter im Text.

Die Schwemme ist übrigens reservierungsfrei. Jeder soll die Möglichkeit haben, dort einen Platz zu ergattern, eben auch nach dem bayerischem Wirtshausprinzip, jeder sitzt neben jedem. Die Stammtische jedoch haben das Privileg, dass ihr Tisch für ihr Treffen reserviert wird.
Stammtische haben ein Reservierungsprivileg, was ja in Ordnung ist. Aber ich sehe im Video nicht, dass es sich bei den am Tisch sitzenden Gästen um StammtischlerInnen handelt. Auch der Kameramensch scheint kein/e StammtischlerIn zu sein. Was will dieser Absatz also sagen?
Der Ton auf dem Video ist leider nicht verständlich und der darauf abgebildete Kellner ist seit mehr als zwei Monaten nicht mehr im Hofbräuhaus beschäftigt. Wir werden trotzdem  versuchen, den Sachverhalt aufzuklären und haben um eine Stellungnahme gebeten. Außerdem klären wir noch die Persönlichkeitsrechte des Videos und würden uns freuen, wenn sich die Urheber des Videos auch bei uns melden würden.

Gottes Wort in deren Ohr. Ich bezweifle, dass sie wirklich nachforschen werden. Zudem klingt der Satz mit den Persönlichkeitsrechten eher danach, dass sie versuchen werden, das Video von Youtube nehmen zu lassen - schließlich hat niemand sein Einverständnis gegeben, gefilmt zu werden. Durch das Vorschützen Hochhalten dieser Rechte kann man auch unliebsamen Inhalt aus dem Netz entfernen lassen. Wäre ja schrecklich, wenn man auf Google "Hofbräuhaus Rassismus" in den vorgeschlagenen Suchbegriffen finden würde. 
Außerdem klingt das alles so, als ob sie den Kellner als Einzeltäter hinstellen möchten. Hat er so viel Weisungsbefugnis, dass er Gästen, die sich völlig normal benehmen, des Tisches verweisen kann? Vor allem, wenn es in der Schwemme keine reservierten Tische gibt?

Wenn sich ein Gast nicht richtig behandelt fühlt, möchten wir uns dafür aufrichtig entschuldigen. Wir kümmern uns täglich um eine Weiterentwicklung unserer Dienstleistung.
Liebe Grüße aus dem Hofbräuhaus!

Sabine Elisabeth Barthelmeß
Pressesprecherin

Im Auftrag für das Hofbräuhaus

Das war sie, die Stellungnahme. Halt, nicht ganz. Ganz unten kommt noch folgender Hinweis:


Ich engagiere mich für notleidende Menschen in Asien: www.nias-ev.de
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In diesem Zusammenhang ist das ganz schön anbiedernd. Dass ich die Antwort nicht besonders zufriedenstellend finde, wird man sich denken können. Viele Fragen bleiben unbeantwortet und ich befürchte, das wird auch so bleiben.

NaNoWriMo - ich bin dabei.

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Ich habe es vor Ewigkeiten angedeutet, dass ich einen Roman schreiben möchte. Jetzt wird es wirklich Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen und das Projekt ernsthaft anzugehen. Warum also nicht an NaNoWriMo dranhängen?

Wer es noch nicht kennt: NaNoWriMo steht für "National Novel Writing Month", kommt aus dem angelsächsischen Raum und soll NachwuchsautorInnen helfen, endlich mal zu Potte zu kommen und ihren Roman zu schreiben bzw. zu vollenden. Ziel ist es, bis Ende November 50.000 Wörter auf Papier zu bringen. Es gibt regionale Treffen, wo man sich austauschen und gegenseitig pushen kann, um wirklich bis zum Schluss durchzuhalten.

Da ich gerade anscheinend nichts besseres zu tun habe und dieser Roman wirklich beendet werden möchte, habe ich mich auf der Webseite von NaNoWriMo angemeldet. Diese ganzen Ausreden, von wegen: "Ich bin gerade kreativ ausgelaugt", "ich bin müde", "ich müsste eigentlich unbedingt die Küche aufräumen", sollen für den November einfach mal nicht gelten. Stattdessen: Volle Konzentration auf das Schreiben.

Auf Nachfrage über Twitter zeigte sich, dass einige durchaus Interesse hätten, Auszüge zu lesen. Also springe ich über meinen eigenen Schatten und veröffentliche hier das erste Kapitel. Ich habe es noch einmal leicht überarbeitet und es ist allenfalls der zweite Entwurf. Aber sei's drum. Butter bei die Fische.

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Es gibt eine Szene, die meine Jahre als Teenager in der Provinz zusammenfasst. Exemplarisch, wie ein griffiger Werbespruch, oder, wenn es gebildeter klingen soll, wie eine Sentenz von einem/r SchriftstellerIn (gewöhnt euch an die Binnengroßschreibung, ich bin Feministin).
Frühmorgens oder am Nachmittag, während der Schulzeit oder am Wochenende.

„Hey Tui! Tui, hey! Warte - “

Ich tat so, als hätte ich die Rufe nicht gehört. Ich wollte es nicht hören. Stattdessen drehte ich die Musik an meinem Smartphone lauter, schob meine Hörer noch tiefer in die Ohrmuschel und stapfte weiter. Bloß weg.

Ich, das ist eine Person namens Thuy: Meine Hände in den Taschen vergraben, die langen Haare ungeordnet, ungekämmt, wie ein schwerer Vorhang hingen sie herunter. An den Füßen trug ich schwere Stiefel, DocMartens, ich hatte ein Faible für die Neunziger. Klein und dürr wie ich war, sahen diese Stiefel übergroß an mir aus. Sie waren aber auch ein bisschen zu groß, damit ich die Schuhe auch im Winter mit dicken Socken tragen konnte. Diese Stiefel fühlten sich verdammt schwer an, trittsicher. Vor allem hielten sie mich dadurch am Boden.

Tui – damit meinten sie mich. Thuy – das sollte ich tatsächlich sein. „Das klingt nach Urlaub!“ sagten sie immer. Sie, das sind alle anderen. NachbarInnen, Bekannte, SchulkameradInnen. Das sollte nett sein. Nichts gegen Pauschalreisen, ab in den Flieger, Sonnenschein. Aber ich hasste Tui.

Auf Vietnamesisch gibt es ein Wort, das so ähnlich klingt wie "tui", und das heißt „übel riechen“ oder „stinken“. Leider hatten sich meine Eltern damals bei meiner Geburt keine Gedanken gemacht, wie Leute außerhalb wohl mit meinem Namen zurecht kommen würden. Sie suchten einen Namen aus, so wie es meine Großeltern bei ihnen auch getan hatten. Mit dem Unterschied, dass zwischen der Namenswahl durch meine Großeltern und der meiner Eltern ein Umzug in ein anderes Land lag.

Dabei lässt sich die Aussprache leicht erklären, wenn man Französisch oder Englisch kann. Das „uy“ (ein Doppellaut, auch Diphthong genannt) klingt wie das „ui“ in „je suis“. Blöd nur, dass die wenigsten Französisch können. „Thuy“ klingt auch wie die Mitte von „between“. Die Mitte von „dazwischen“. Je suis between.

Thuy ist ein Standardname, so wie Laura, Lea oder Maria. Nur nicht dort, wo ich geboren wurde und aufwuchs. Und weil das so war, wurde aus mir, Thuy, eine Tui. Meine Mutter sagte mal, dass der Name so viel wie "freundlich, sanft" bedeute.  Ich dachte nie daran, dass sich meine Person dadurch in zwei Hälften spaltete: in meiner Familie lebte eine Thuy und überall sonst Tui. Ich versuchte mir das Ganz schönzureden - so gesehen hatte ich einen richtigen Namen und einen Decknamen. Wobei ich mir selber einen cooleren Decknamen für außerhalb gegeben hätte. So was wie Katharina oder Frida oder Sibylle. Bruce Wayne hatte „Batman“, Clark Kent hatte „Superman“. Ich hatte „Pauschalurlaub“.

In meinem letzten Schuljahr unternahm ich den Versuch, meine KlassenkameradInnen  an „Thuy“ zu gewöhnen. Es war eine Kampagne meinerseits für mehr Authentizität, eine der Flausen in meinem jugendlichen Kopf. Ehrlich zu sich selbst sein bedeutete eben auch: Ehrlich zu den anderen sein. Und ich war ehrlich genervt davon, diesen blöden Pauschalurlaubnamen zu haben. Also erklärte ich in einer Klassenbesprechung für alle, wie mein Name funktionierte.

Die Aktion war nicht erfolgreich. 

Isabella, meine nächstbeste Freundin (dazu komme ich noch), gab sich große Mühe. Ihre Aussprache war in Ordnung. Alle anderen bestanden darauf, meinen Namen weiterhin „Tui“ auszusprechen. Weil das leichter sei, und "Das haben wir doch immer so gemacht." Wenn sie mich nicht ohnehin „Ufo“ nannten, weil es „auch drei Buchstaben hätte“.

Danach wurde es wesentlich leichter, meine Freundes- und Kontaktlisten auszumisten.


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PS: Einen Titel hat das Ganze noch nicht, aber einen Arbeitstitel: "Reisbällchen".

PPS: Ich vertraue euch LeserInnen immens, denn das ist das erste Mal, dass ich etwas fiktionales hier veröffentliche. Als AutorIn kommt man wohl nicht umhin, irgendwo über sich selbst zu schreiben, but here's the thing: Ich hätte gerne einen Jugendroman gelesen, in dem es um Konflikte geht, die ich von Haus aus kenne. Und wenn mans nicht selber macht...

Mein Geschreibe: Nanowrimo Update, Mädchenmannschaft, I am Vietnamese

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Der Nanowrimo ist vorbei, ich habe meine 50.000 Wörter geschafft! Leider ist mein Roman noch nicht ganz fertig, der Schluss liegt jenseits der 50.000 Wörter - aber ich komme voran. Ich hoffe, demnächst ein weiteres Kapitel hier veröffentlichen zu können.


Eigentlich hatte ich vorgehabt, hier auf dem Blog zu dokumentieren, wie ich mit dem Schreiben von 1.300+ Wörtern jeden Tag zurecht komme. Der Mangel an Updates zeigt: Nicht so wirklich gut. Ich wusste es schon immer, und der Nanowrimo hat es erneut bestätigt, dass ich nicht die Vielschreiberin bin. Ich saß meist bis ein Uhr nachts am Roman, viel Zeit für andere Aktivitäten blieb nicht. Außer für die hervorragende Serie "Cosmos - A Spacetime Odyssey" mit Neil deGrasse Tyson. Sie fußt auf der Serie "Cosmos" von und mit Carl Sagan und beschäftigt sich mit dem Kosmos. Aber dazu kommt noch eine ausführlichere Review.

Der Nanowrimo hat genau das bewirkt, was ich mir erhofft hatte: Von außen Druck aufzubauen, damit ich das tun muss, woran mir wirklich etwas liegt. Wir alle kennen den Albtraum Prokrastination, der uns hindert, das in Angriff zu nehmen, was uns wirklich weiterbringt. Ich prokrastiniere wie so viele andere auch deshalb, weil ich mich in Selbstzweifeln, überbordender Selbstkritik und Hyperperfektionismus verliere. Manchmal auch, weil ich faul bin. Der Nanowrimo ist hingegen eine dreckige quantitative Angelegenheit: Bei der Zielmarke 50.000 geht es nun mal nicht um die schönsten, poetischsten und präzisesten Sätze, sondern um das Erreichen einer kritischen Masse. Das habe ich erst mal geschafft, dafür gabs am Sonntag nachträglich mir zum eigenen Geburtstag eine selbstgebackene Torte:
A photo posted by naekubi (@naekubi) on
Man verzeihe die schlechte Bildqualität. Die nächsten Wochen werden geprägt sein vom Beenden des Romans und dem fürchterlichen Redigierprozess. Ziemlich sicher, dass ich nicht nur einmal fluchen werde: "Was zum §§$§""%!"§!§@ hast du da geschrieben??!" Den Zuspruch, den ich bisher bekommen habe, bestärkt mich auf jeden Fall in meinem Vorhaben, mein Baby zu vollenden. Es gibt zu wenige Bücher, die sich literarisch mit diesem Anders-Sein beschäftigen. Zumindest mir hätte es als Teenagerin gut getan, mich in Büchern wiederzufinden - als Mensch zwischen den Stühlen. Nanowrimo hat wohl Recht: Die Welt braucht mein Buch.


Mädchenmannschaft-Kolumne

A propos Schreiben: Seit September gibt es auf dem feministischen Blog der Mädchenmannschaft eine Kolumne von - yours truly. Getauft habe ich sie "Die Emanzipation der Banane" und es geht um genau das: Meine Emanzipation. Als Frau, als Asiatisch-/Vietnamesisch-Deutsche. Ich sage nicht, dass ich in der Hinsicht alles richtig mache. Aber "sie bemühte sich stets". Zur Kolumne geht es hier entlang: "Die Emanzipation der Banane"

I am Vietnamese

Gestern kam noch eine schöne Nachricht an meinen Spamfilter: Eine Kurzgeschichte von mir wurde im Rahmen des "I am Vietnamese"-Projekts veröffentlicht! Die Anthologie umfasst mehr als siebzig Geschichten von AutorInnen mit vietnamesischen Wurzeln hauptsächlich aus den USA, aber auch anderen Ländern (wie Deutschland *hust*). Mit dabei sind auch berühmte Leute wie Schriftstellerin Madeline Truong, Andrew Pham, Andrew Lam und Chefköchin Christine Ha.

Die Anthologie ist als E-Book erhältlich, zusätzlich gibt es eine Kickstarter Kampagne, um daraus ein physisches Buch zu machen - das gedruckte Werk gibt es dann ab einer Investition von 25 US-Dollar. Alle Erlöse gehen an the Vietnamese Culture and Science Association (VCSA), Sunflower Mission und die Vietnamese American Scholarship Foundation (VASF).

Für mich persönlich ist es eine schöne Sache, weil das mein erster "literarischer" Text ist, den ich auf Englisch schrieb. Jede/r, der/die gerne mit Worten arbeitet, kennt das frustrierende Gefühl, an die Grenzen der eigenen sprachlichen Kompetenz zu stoßen. Von daher freut es mich besonders, für die Anthologie ausgewählt worden zu sein. Vielen Dank an Schwesterherz fürs Korrekturlesen, ohne dich hätte ich sicherlich noch einige Grammatikfehler drin ;)
Meine Geschichte "Trotzdem" findet ihr hier: Trotzdem

Yumyum: Wie ich auf dem Schulhof dealte

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Ramen, Bild von flickr edkohler, CC 2.0


Die großartige Shehadistan teilte auf Facebook folgende Schlagzeile: Kinder essen Tütensuppe wie Chips. Der Artikel von 2011 berichtet von dem Trend, dass Kinder die asiatischen Tütensuppen, auch als Ramen und unter VietnamesInnen als Mi Goi bekannt, einfach trocken aus der Verpackung knabbern. Dazu sage ich: Ach was, neuer Trend. Das gibt es schon seit ewig. Woher ich das weiß? Weil ich den Trend mitbegründete, zwar im lokalen Rahmen beschränkt, aber immerhin. Damals in der Grundschule, in der zweiten Klasse, also vor (hust) zwanzig Jahren, vertickte ich das Zeug auf dem Schulhof unter der Hand. Es war ein florierendes Business, bis ich aufgrund eines "Vorfalls" aus dem Geschäft für immer ausstieg.

Das organisierte Tütensuppen-Dealen fing damit an, dass meine Mutter im Krankenhaus lag und mein Vater für unsere Schulverpflegung sorgen musste. Der Einfachkeit halber (und weil er überfordert war) gab er meinem älteren Bruder und mir je eines dieser Suppenpäckchen mit dem Namen "Yumyum" mit. Auf dem Schulhof waren wir damit die Stars - so etwas hatten die anderen noch nie zuvor gesehen: Ein knallbuntes, eckiges Päckchen, darin ein quadratisches Bündel an rotgoldenen Lockennudeln. Damals gab es diese Salz- und Glutamatbombe noch nicht allgemein im Supermarkt um die Ecke zu kaufen, was die Sache umso interessanter machte. Nachdem die InteressentInnen probieren durften, wollten sie: mehr. MEHR. MEHR!!!

Mutter, wieder genesen und zu Hause, hörte davon und erkannte sogleich das Potenzial dieser Nachfrage. Ihr Geschäftssinn sah sofort einen Markt für Yumyum. Also ließ sie uns bei den KlassenkameradInnen nachfragen, wer gerne Tütchensuppe haben wollte. Schnell hatten wir ein Dutzend Bestellungen zusammen und wir schleppten von nun an die Nudeln in unseren Schultaschen mit, um sie dann während der großen Pause zu verticken. Die Gewinnmarge war prächtig: Zu Hoch-Zeiten verkauften wir jedes Päckchen für eine Mark, für FreundInnen des Hauses gab es die Päckchen auch mal für 50 oder 70 Pfennig.

Da wir die einzigen AsiatInnen mit Zugang zum Yumyum-Markt hatten (einen Asia-Markt gab es nicht), besaßen wir das äußerst bequeme Monopol. Mutter zog als Mastermind im Hintergrund die Fäden und versorgte uns mit dem notwendigen Stoff. Unter den SchülerInnen sprach sich herum, dass ein neues und aufregendes Zeug zu haben war: salzig, knusprig, verdammt ungesund. Sehr bereitwillig gaben sie uns dafür ihr Taschengeld, andere bezahlten uns in Naturalien: Zwei Räuber-Hotzenplotz-Kassetten gegen vier Päckchen Yumyum war ein prächtiges Tauschgeschäft.

Wie das so ist mit illegal besorgtem Stoff: Das Zeug birgt Gefahren. Nicht nur, dass dieses Zeug ein Fertigprodukt der fiesesten Sorte mit extra viel Kohlenhydraten, Fett, Salz und Geschmacksverstärkern war: Neben den Nudeln und der Suppenbrühe in Pulverform befand sich darin noch ein winziges Tütchen Chilipulver, das für deutsche Kindermägen absolut nicht geeignet war. Wir schärften (haha) unseren KundInnen deshalb ein, dieses Beutelchen auf keinen Fall zu konsumieren.

Nun gibt es immer Leute, die keinerlei Respekt vor Warnhinweisen haben, und so passierte es, dass eines Tages jemand als Mutprobe oder einfach aus Dummheit sich das Chilitütchen in den Rachen schüttete. Weder ich noch mein Bruder hatten an ihn verkauft, also musste ihm jemand als Zwischenhändler Zugang dazu verschafft haben. Nach der großen Pause an jenem besagten Tag klopfte es an der Klassenzimmertür. Meine Klassleiterin machte auf, dahinter stand eine besorgte Lehrerin und ein sehr blasser Junge, der sich vor Schmerzen den Bauch hielt. Sie erklärte meiner Lehrerin, dass der Junge etwas Falsches gegessen und sich während der Deutschstunde ins Waschbecken übergeben hatte. (Man erzählte mir später, dass der gesamte Klassenraum danach gestunken hätte). Der Junge und seine MitschülerInnen nannten mich schnell als Quelle für das Malheur.

Meiner Lehrerin war ich bisher allenfalls als brave, ruhige und fleißige Schülerin aufgefallen, weshalb sie mich ungläubig mit großen kugelrunden Augen anschaute. Was das denn gewesen sei? Noch ehe ich antworten konnte, erklärten meine MitschülerInnen sehr schnell und bereitwillig, dass ich auf dem Schulhof Yumyum verkaufte, eine trockene Tütensuppe zum Knabbern. So schnell wurde ich noch nie verraten, danke. Die großen Augen meiner Lehrerin wurden noch größer.

Meine Verteidigung fiel schwach aus: Ich gab den Handel zu, erklärte aber auch, dass ich den Leuten immer sagte, nicht das Chilipulver zu essen, und dass ich somit keine Schuld an der Malaise des Schülers hatte. Der Erkrankte wurde nach Hause geschickt, ich blieb von den Behörden unbehelligt, damit war die Sache gegessen (haha). Die Geschichte verbreitete sich schnell als Folklore in der Schule, was uns noch einmal mehr Nachfrage von der Mutprobenfraktion bescherte. Doch genug war genug: Hier und da eine schnelle Mark zu machen, war das eine, aber ich musste die Grenze ziehen, wo Menschen verletzt wurden. Bald darauf erklärten mein Bruder und ich unserer Mutter unseren sofortigen Ausstieg aus dem Yumyum-Business.

Da meine Mutter immer noch meine Mutter war und nicht ein Mafiamob-Boss, nickte sie nur. Insgeheim glaube ich aber doch, ein gewisses Bedauern bei ihr zu bemerken. Schließlich wollte sie immer, dass wir geschäftstüchtige Menschen würden. Aber ich bin eher nicht die Sales-Persönlichkeit.

Damit endete meine Karriere als Dealerin auf dem Schulhof. Ich habe seither nie wieder mit Yumyum gehandelt und bin wieder ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft.

Frohes chinesisches Neujahr! Amazon und Racial Profiling

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Es ist Mitte Februar, was nur eines bedeuten kann: Das chinesische Neujahr naht!* Wir befinden uns im Jahr der Ziege bzw. des Schafs. Persönlich hat meine Familie dieses Fest nie besonders begangen, aber ich habe mir sagen lassen, dass man zu diesem Anlass Geschenke bekommt. Geld, Kleidung, Gadgets, Spielzeug, allerlei Tand und Firlefanz. Das scheint eine interkulturelle Konstante zu sein: Feste sind dazu da, um den Konsum anzukurbeln.

Das hat sich auch Amazon gedacht, als sie meinem großen Bruder einen ihrer Newsletter zukommen ließen. Nun bekommt er massenweise Newsletter von Amazon & Co., um immer die neuesten Blu-Rays und Elektronik möglichst günstig zu erwerben. Dieser Newsletter war jedoch anders.

Das ist das Corpus delicti:







Ein paar Dinge sind seltsam: Mein Bruder hat nie etwas von Amazon China bestellt. Weder in seinen Adressdaten noch in seinen Zahlungsinformationen gibt es irgendeine Verbindung zu China. Browser-Einstellungen, IP-Adressen, etc. - garantiert 100% nicht chinesisch.

Ich weiß jedoch mit ziemlicher Sicherheit, dass unser Nachname chinesischer Herkunft ist, auf jeden Fall aber asiatisch aussieht (weil Asien ist schließlich kein vielfältiger, riesiger Kontinent mit verschiedensten Kulturen, nicht wahr?!). Ergo kann ich nur schließen, dass das E-Mail-Marketingteam von Amazon Global so mir nichts, dir nichts, flugs zum chinesischen Neujahr ein bisschen Racial Profiling betrieben hat, um seine Produkte an den chinesischen (d.h. mutmaßlicherweise chinesischen, eventuell, der Name könnte das andeuten, auf jeden Fall aber asiatischen) Mann zu bringen.


In diesem Sinne: Frohes Neues Jahr!


PS: I'm back! Did you miss me? :D



*: Ihr dachtet an Fasching oder Valentinstag, richtig?

5 Gedanken, die ich als Gast auf meiner ersten Fashion Show hatte

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Mode und ich, wir haben ein zwiespältiges Verhältnis. Ich interessiere mich für sie, aber eher für ihre praktischen Seiten, denn Kleidung tragen müssen wir in diesem Kulturkreis alle. Und wenn wir das schon tun müssen, können wir auch ein bisschen Spaß damit haben. Aber es ging niemals über Cape-Wintermantel und mehrfarbige Schuhe hinaus.

So richtig "Mode" im Sinne einer Kunstform ist das freilich nicht: Eine Fotogalerie zuhause erfüllt schließlich einen anderen Zweck als eine Fotogalerie in einem Museum - dort geht es um den Ausdruck von Ideen, Gefühlen und dem ominösen Zeitgeist, nicht um Gedächtnisstützen zum letzten Urlaub. Deshalb hat es mich besonders gefreut, dass Lillebror mich einlud, die Fashion-Show der Akademie für Mode und Design AMD anzusehen. Einfach mal Mode unter rein künstlerischen Aspekten betrachten. Unter dem Motto "next 15" durften die AbsolventInnen dieses Jahres ihre Abschlusskollektion zeigen. Das alles im Rahmen einer richtigen Fashion-Show, inklusive teurem Eintrittspreis, Sponsoring von Schumanns Bar sowie Aftershow-Party mit unglaublich hipper Elektromusik.

Eingeladen hatte mich mein kleiner Bruder übrigens deshalb, weil er als Model lief und jemanden brauchte, der Fotos von ihm schießen sollte. Was er nicht wusste: Ich bin die schlechteste Fotografin der Welt. Wie die Bilder in diesem Beitrag beweisen werden. Neben "wie bediene ich dieses Scheißteil" kamen mir einige Gedanken während meiner ersten Fashion Show.

1. Wo soll ich sitzen?
Eine strategisch bedeutende Frage. Da es nur jeweils eine Stuhlreihe auf beiden Seiten entlang  des Lauf"stegs" gab, war die Sitzplatzsuche eigentlich simpel. Nun schlängelte sich der Laufweg aber durch die gesamte Halle an der Praterinsel, schlug Haken und wand sich durch den Raum, dass ich nicht wusste, welcher Platz denn wirklich gut sein würde, um alles zu sehen. Ich entschied mich für einen Platz nah am Ausgang der Models, nach und nach herauskommen sollten. Das alles fühlte sich schon sehr high-fashion an, und für einen Moment konnte ich mir vorstellen, wie es wäre, Modebloggerin mit tausenden Instagram-FollowerInnen zu sein und für eine neue Handtasche ein überschwengliches Blogvertorial für einen Online-Shop zu verfassen. Mein Platz erwies sich auch deshalb als gut, weil etwas länger Zeit blieb, die Kollektionen eingehend zu betrachten. Die Show war extrem hart getaktet, weil ein Dutzend DesignerInnen ihre Stücke zeigen sollten und die Modenschau zweimal gezeigt wurde. Deshalb rannten die Models mehr als dass sie schwebten (sofern rennen in den Kostümen möglich war).




2. Black is the new Black. 
Mode ist ein Ausdruck von Zeigeist: Mode spricht Gefühle und Ideen aus, die in unserer Kultur bedeutsam sind oder werden. Oder die zumindest bei den AbsolventInnen der AMD bedeutsam sind. In einem Satz kann man das zusammenfassen als "schwarz ist das neue schwarz". Alle Kollektionen zusammen genommen waren in Nichtfarben und vereinzelten Naturtönen gehalten. Ernsthaft, oft reduziert, melancholisch, bisweilen verstörend - so ist er, der Modenachwachs. Wenn Kleidung ein Spiegel der kollektiven Seele ist, dann sieht es dort ziemlich düster aus. Von wegen Leichtigkeit und Glück der Jugend. Selbst in gewöhnlichen Kaufhäusern sind knallige Farben selten geworden. Wir sind alle mit dem Leben geschlagen. Willkommen im Existenzialismus des 21. Jahrhunderts.


AMD Next 15 - bitte einmal dieses Wollcape zum Mitnehmen, danke!

Hohes kommerzielles Potenzial.

3. Noch nie war so viel Vielfalt
Der Modezirkus ist für seinen latenten (und offenen) Rassismus weithin verschrien. Deshalb war ich besonders neugierig, wie "weiß" die Modelschar sein und wie häufig ich es mit kultureller Aneignung zu tun haben würde. Bei ersterem Punkt war ich angenehm überrascht: Es waren sicherlich ein knappes Dutzend Models of Color dabei, viele schwarze Models und zwei asiatische (zu denen mein Bruder gehörte). Das freute mich umso mehr, zumal diese Models nicht nur für die "ethnisch inspirierten" Kollektionen liefen.
Dieser Punkt bereitete mir während der Show Kopfzerbrechen und auch jetzt, knapp zwei Wochen nach der Show, bin ich zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen. Ist das schon kulturelle Aneignung, wenn man sich der Muster und Schnitte anderer Kulturen bedient, zu der man selbst nicht gehört? Muss man sich sozusagen auf seine eigene Kultur beschränken, sprich: Darf nur der/diejenige, der/die InsiderIn ist, diese Quelle anzapfen? Zumindest wurde die "afrikanisch inspirierte" Kollektion (ich kenne mich mit den verschiedenen Kulturen auf dem Kontinent zu wenig aus, sorry!) ausschließlich von schwarzen Models gezeigt - eindeutig die bessere Lösung, als weiße Damen in Pseudo-Stammeskleidung posieren zu lassen.

An diesem Outfit ist alles so verdammt cool.


4. Alle(s) so schön hier.
Fashion Shows sind ein bisschen wie ein Hollywood-Film: Alles sieht besser aus als in Wirklichkeit. Vielleicht war es der Cheerleader-Effekt, meinem Empfinden nach liefen auf diesem Laufsteg unfassbar schöne, meist sehr schlanke Menschen. Einen solchen Herd von physischer Symmetrie und Wohlgeformtheit habe ich noch nie so nah gesehen. In den Medien sicherlich, auch die Bilder der Models wirken nicht außergewöhnlich. Aber "sowas" direkt vor meiner Nase - das war seltsam. Nur wenige Models entsprachen nicht dem gängigen Schönheitsideal (wenige waren älter oder kleiner, niemand war dick). Ich kam mir vor wie in einer Blase, die Nicht-Wirklichkeit war. Im echten Leben sah ich vielleicht eine Person in einer Million, die körperlich schön, groß gewachsen und dünn war. Jetzt defilierten plötzlich zwei Dutzend dieser Menschen dort. Es war, wie den absoluten Jackpot der genetischen Lotterie zu sehen: Die schiere Masse war überwältigend und verstörend.

The Sound of Music hat angerufen. Sie wollen ihre Kostüme zurück.


5. So. Verdammt. Stolz.
Ich gebe es zu: Ein Model in der Familie zu haben, hat einen seltsamen Wert. Man wünscht sich, dass der Glanz und Glamour des modelnden Familienmitglieds auch auf einen selbst fällt. Oder zumindest die Coolness. Mir ist der Blödsinn und die Oberflächlichkeit des Gedankens wohl bewusst - als ob eine äußere Instanz die eigene Attraktivität bestätigen müsste. In der Art: Wenn das Brüderchen als attraktiv galt, dann konnte ich es  so schlecht nicht getroffen haben. Vielleicht war es einfach die große Schwester in mir, die stolz war - aber worauf? Dass der kleine Bruder sechs Richtige in der genetischen Lotterie hatte? Vielleicht. Dass er etwas tat, was ihm Anerkennung brachte und was ihm Spaß machte? Na klar. Dass sein Interesse an seltsamer Mode, ausgefallenen Ideen und seine androgyne Erscheinung hier ihren Platz fanden? Auf jeden Fall.
Mich hat es besonders gefreut, dass Lillebror beim Erstplatzierten Chen Jerusalem und bei der Zweiplatzierten Alice Huynh gelaufen ist. In beiden Kollektionen ging es um Herkunft, Identität, um Fremdsein. Genau mein Ding. Ich hoffe, noch ein Interview mit Alice Huynh zu bekommen, deren Kollektion "Fresh off the Boat" hieß und die auch vietnamesische Wurzeln hat. Stay tuned!


Thema war Identität. Zwangsjacke passt irgendwie dazu.

Fresh Off The Boat. Man bemerke leichte asiatische Anleihen.


PS: Falls jemand das Brüderchen buchen möchte, melde er/sie sich bei mir über die bekannte E-Mail-Adresse.

Was Ostern mit Anti-Semitismus zu tun hat

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Lucas Cranach d. Ä. - Kreuzigung Christi, 1501 - gemeinfrei


Anstatt wie sonst die Kar- und Ostertage bei meiner Familie zu verbringen, bleibe ich dieses Jahr in München - ich darf nämlich endlich wieder Musikerin sein. Meine Kirchengemeinde (in der ich im Chor singe) führt zum Karfreitag die Johannespassion von Heinrich Schütz auf. Dazu singen der Pfarrer, weitere ProfimusikerInnen sowie einige fähige Laien/Laiinnen (zu denen ich gehöre) die gesamte Passion (etwa 40 Minuten Nettospielzeit, Gottesdienstzeit kommt hinzu).

Ich bereite mich gewissenhaft mit CD-Aufnahmen hören und alleine üben auf diesen Auftritt vor. Schließlich will ich mir vor den Profis keine Blöße geben und vor allem nicht die Proben unnötig in die Länge ziehen (drei Samstage à 5 Stunden gehen dafür drauf). Abgesehen davon macht es mir großen Spaß, ausnahmsweise anspruchsvollere Literatur zu singen. Die Spatzenmesse kann man nur ein paar Mal machen, ohne die Lust daran zu verlieren.

Da nicht mehr so viele dem christlichen Mythos nahe stehen, erkläre ich kurz was in der Leidensgeschichte Jesu Christi nach der Fassung des Johannes passiert: Nachdem Jesus mit seinen JüngerInnen (?) das letzte Abendmahl gefeiert hat, geht er auf den Ölberg zum Beten. Judas, der zum Sprichwort gewordene Verräter, hat den Behörden einen heißen Tipp gegeben - Jesus wird verhaftet, Judas freut sich über 30 Silbertaler (aber nur kurz, dann holen ihn die Schuldgefühle ein und SPOILER er erhängt sich).

Jesus wird vor Gericht gestellt, befragt von den Hohenpriestern, also den obersten geistlichen Mächten im Judentum, die ihn für schuldig befinden. Grund: Er hat sich Sohn Gottes genannt, das ist nach ihrer Auffassung ein Verbrechen. Die Hohenpriester wollen ihn loswerden, aber sie dürfen ihn nicht hinrichten, weil ihnen das der Glaube verbietet. Außerdem würden sie durch einen Mord unrein - schlecht für das bevorstehende Hochfest Pascha/Ostern. Was tun, wenn man so unbedingt jemanden töten will? Sie bringen Jesus zum römischen Statthalter Pontius Pilatus (Palästina wird von den Römern verwaltet - antiker Kolonialismus), der ihn verurteilen soll.

Jesus wird wieder befragt, Pilatus findet nichts, was nach römischen Recht ein Todesurteil rechtfertigen würde. Pilatus versucht das Volk und die Hohenpriester zu beschwichtigen: Dieser Mensch sei unschuldig. Er bietet dem Mob an, einen Gefangenen freizulassen - eine übliche Sitte zum Pascha-/Osterfest im Judentum. Er stellt die Leute vor die Wahl: entweder Jesus oder Barrabas, einen Räuber. Die Meute überlegt nicht lange - sie will Barrabas frei und Jesus am Kreuz. Gleichzeitig bedrohen sie Pilatus, ihn als Nicht-Freund des Kaisers zu verpetzen, wenn er Jesus nicht kreuzigt. Weil der keinen Aufruhr haben möchte, gibt er schließlich nach, Jesus wird gekreuzigt - eine der schlimmsten und demütigendsten Arten, in der Antike jemanden hinzurichten.

Die Johannes-Passion von Schütz ist musikalisch hochinteressant - anders als Musik ab dem Barock wechseln munter die Tonarten und Modi in den Melodien der einzelnen Stimmen. Für moderne Ohren wirkt das mitunter chaotisch. Man muss sich an diese krude, rohe Musikalität des Vorbarock gewöhnen. Der Wortschatz ist altmodisch und bisweilen schwer zu verstehen. Schütz stellt den Aufruhr des Volkes in der Musik durch Polyphonie, fugenartige Sätze, sowie Rhythmus- und Tempowechsel hervorragend dar. Ich kann mir sofort vorstellen, wie eine aufgebrachte Menschenmasse einen unschuldigen Menschen lynchen will und alle manipulativen Tricks anwendet, um ihr Ziel zu erreichen.

Es ist von Schütz so gut gemacht, dass ich begann, das jüdische Volk im Musikstück zu verabscheuen.

*gasp*

Sofort schämte ich mich für diesen Gedanken. Wie konnte ich sowas nur denken und warum musste ich überhaupt daran denken? Es stellt sich heraus, dass Ostern sehr viel mit Anti-Semitismus zu tun hat.

Die Macht des österlichen Narrativs


Man muss sich vor Augen führen, wann die Geschichten über Jesus aufgeschrieben wurden, in welchem Kontext sie entstanden und welches Narrativ der Schreiber verfolgte. Vor knapp zweitausend Jahren war das Judentum in Palästina Mehrheitsreligion. Die UrchristInnen waren eine verfolgte Minderheit, sie wollten (und mussten) sich vom Mainstream abgrenzen. Gleichzeitig brauchte man als bedrohte Minorität eine Erzählung, die den Sinn des eigenen Leids, aber auch die eigene moralische Stärke (und Überlegenheit) demonstrieren sollte.  Jesus ist in der Story der Inbegriff des Helden, der sich für etwas Größeres, nämlich die Erlösung der Menschheit, opfert. Wenn er im Mythos das absolut Gute ist, muss ihm gegenüber das absolut Böse stehen - in diesem Kontext das gesamte Judentum. Es ist spießig, kleinlich und boshaft. In der Passionsgeschichte wird das umso deutlicher herausgearbeitet, wenn Jesus als einzelner Person eine überwältigende Schar von GegnerInnen gegenüber steht. Die Geschichte vom spirituellen Underdog, der Recht hat, erhielt sich über Jahrhunderte.

Jetzt stellt euch mal vor, eine Kultur erzählt über Jahrtausende (!) die Geschichte, wie schrecklich böse die jüdischen Menschen seien, und dass man selbst moralisch überlegen sei - da kann sich doch kein Mensch ernsthaft wundern, dass es Vorbehalte oder Hass gegen Juden gibt. Selbst wenn der Ursprung, nämlich die Leidensgeschichte Jesu, vergessen ist - die alten Mythen von Verlogenheit, Brunnenvergiftung und Kindermord leben weiter. Und sie beeinflussen den Umgang mit Menschen jüdischen Glaubens bis heute - entschieden negativ. Zum Vergleich: Wir werden seit gut 15 Jahren mit Horrorgeschichten von MuslimInnen überschwemmt und sehen die feindliche Stimmung aufflammen, wir sehen Mord und Totschlag an Menschen dieses Glaubens. Was tausende von Jahren anrichten können - quod erat demonstrandum.

Als die Geschichte aufgeschrieben wurde, sollte sie im Angesicht von systematischer Bedrohung von außen Trost spenden, stärken, Durchhalteparole sein. Heute würden wir sagen, sie diente dem Empowerment. Doch aus der bedrohten Minderheit wurde irgendwann Mehrheit und Staatsreligion, aus Underdogs wurden Privilegierte - die in zweitausend Jahren mehr als nur einmal ihre Macht für Judenpogrome und Sündenbockpolitik nutzten. Werden wir irgendwann klüger? Ich hoffe ja, dass irgendjemand in 100 Jahren auf unsere Zeit sieht, den Kopf schüttelt und ungläubig fragt, wie wir nur so barbarisch handeln konnten.

Das Schlusswort zum Dienstag hat Christopher Nolans Batman-Trilogie, die das ganze Dilemma perfekt zusammenfasst:

"You either die a hero or live long enough to see yourself become the villain."



Wer sich für die Johannes-Passion von Schütz interessiert, ist herzlich eingeladen: Der konzertante Gottesdienst mit vorbarocker Kirchenmusik findet am Karfreitag, den 6. April, um 15 Uhr in St. Ulrich in Laim statt. Kommt zeitig, denn die Kirche ist dorfkirchenmäßig klein!

If all else fails...

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...push this button: KLICK

Es passiert nichts Schlimmes, keine Sorge. Leute mit Epilepsie sollten allerdings vielleicht nicht klicken...

Ein schönes Wochenende euch.

Was man selbst tun kann für mehr Diversity

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Mein Schwesterherz und ich verbrachten mal wieder ein Wochenende zusammen bei den Eltern. Das heißt, wir saßen jeweils an unseren Rechnern in einem Raum. Bis auf das Surren der Laptops und Klicken war nichts zu hören. Wir verplemperten zusammen getrennt unsere Zeit. Was Introvertierte eben tun.

"Weißt du was?" fragte mein Schwesterherz nach einer Weile. In ihrer Stimme vernahm ich einen Unterton, den ich zunächst nicht einordnen konnte.

"Nein, was?" fragte ich zurück.

"Bei meinen Grafik-Jobs bugsiere ich immer wieder mal AsiatInnen und Schwarze rein. Zum Beispiel letztes Mal in einem Video für [großes deutsches, auch international tätiges Unternehmen]."

"Aha? Hat da  sich jemals jemand beschwert?"

"Was? Nein. Die Frau von der Agentur fand das ziemlich gut. 'Wow, da sind sogar verschiedene Menschen zu sehen.' hat sie gesagt."

Meine Schwester kicherte schelmisch. Den Schalk im Nacken konnte ich förmlich sehen. Sie freute sich diebisch über ihren kleinen Streich sozialer Gerechtigkeit. Ich schmunzelte - anscheinend hatte mein ewiges "Rassismus ist scheiße"-Reden etwas gebracht. Auch wenn es nur im kleinen Rahmen war - sie tat etwas dafür, dass in Werbegrafiken und Illustrationen mehr als nur weißer Einheitsbrei zu sehen war.

"A small step for a man, a giant leap for mankind"

Rassismus und Diskriminierung aus einer Gesellschaft entfernen ist eine riesige Aufgabe, die ein einzelner Mensch nicht schultern kann. Was viele AktivistInnen und ich versuchen, ist nichts anderes als die Schaffung einer neuen Gesellschaftskultur. Eine riesige Aufgabe. Das öffnet der eigenen Überforderung Tür und Tor und brennt eine/n in Nullkommanichts aus. Ich kann als Bloggerin und Menschin nur so viel tun. Das sind Winzschritte, die jede/r vornimmt, und selbst diese sind schwierig. Aber darum geht es: Im Kleinen erst einmal etwas bewirken. Das Mikroklima verändern, Verbündete suchen und finden. Den eigenen Einfluss nutzen, und sei er noch so gering. Dann sehen wir weiter.

Nun arbeite ich seit Anfang des Jahres wieder als Angestellte in einem Unternehmen: Ich bin Texterin, und zwar die einzige in einem recht großen Laden. Mein tägliches Brot besteht darin, Stellenanzeigen zu verfassen, damit sie nicht nur gut klingen, sondern auch dem Antidiskriminierungsgesetz gerecht werden. Das legt allerdings nur das Minimum fest - "Ingenieur (m/w)" im Titel reicht da schon. Geschlechtergerecht ist das noch nicht wirklich.

Weil ich die einzige Texterin bin, ist es meine edle Pflicht und mein persönliches Vergnügen, noch entschiedener auf gendergerechte Sprache zu achten. Es sind die /-Zeichen, die den Unterschied machen. Und zwar nicht nur im Titel, sondern auch im Text. Das bisschen Macht, das mir kraft Einstellung gegeben wurde - ich nutze sie für gendergerechte Sprache, und niemand kann mich aufhalten. Radikal bin ich nicht, sondern eher pragmatisch: Bei Komposita setze ich meist auf die althergebrachte Form, etwa "Kundenbetreuung". Bei anderen Begriffen verwende ich die neutrale Form. Statt "Entwicklerteam" gibt es bei mir das "Entwicklungsteam". Perfekte Lösungen gibt es wie bei so vielen Dingen im Leben nicht und von diesem Anspruch habe ich mich im Arbeitsalltag gelöst. Aber was ich machen kann, tue ich.

Die Episode mit meiner Schwester ist noch nicht ganz zu Ende erzählt: Im Zimmer war wieder nur Surren und Klicken und Tastaturklackern zu hören. Ich freute mich im Stillen, dass mein Aktivismus in meinem unmittelbaren Umfeld Früchte trug. Neil Armstrong hatte schon recht mit seinem Satz vom kleinen Schritt für den einzelnen Menschen. Schwesterherz unterbrach meinen Gedankengang mit einem Nachsatz:

"Außerdem"  - sie tippte konzentriert - "außerdem fand ich es irgendwann langweilig, immer nur rosa Menschen zu zeichnen."

Wochenrückblog 19.04.2015 - Katzencafés, Thai-Essen und kreative Outlets

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Habe festgestellt, dass ich in diesem Blog zwar über mein Leben berichte (insert "wie so viele"), aber nie so "richtig"über mein Leben berichte. Der Alltag, das Unspektakuläre, das, was den Großteil unseres Lebens ausmacht, spare ich meistens aus. Die Dokumentation meines Lebens auf Instagram soll ein textliches Pendant bekommen. Deshalb und in Anlehnung an kaltmamsells Journal-Bloggen gibt es den Wochenrückblog - ein wöchentlicher Querschnitt meines Lebens zur Gedächtnisstütze und möglicherweise zur Unterhaltung. Ihr werdet sehen, dass das Leben als Asiatisch-Deutsche auch nicht so viel anders aussieht.

1. Mein Blog soll schöner werden

Ich bleibe meinem etwa jährlichen Turnus treu und suche nach einem neuen Template für meinen Blog. Festgestellt, dass es auch für Blogspot-BloggerInnen zahlreiche hübsche, ausgefallene Designs gibt. Aber bitte nicht Flat Design - das hat sich meiner Meinung nach so langsam wieder überlebt. Ich habe mich bereits für eines entschieden, muss aber noch ein bisschen im CSS herumfuhrwerken, bis ich wirklich zufrieden bin. Wie so häufig zieht das einen ganzen Rattenschwanz an Neuanpassungen nach sich: Logos müssen dann ebenfalls neu entworfen und überall eingefügt, die verschiedenen Social Networks müssen sinnvoll eingebunden werden. Demnächst also: Alles neu macht der Mai.

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2. Das Münchner Katzencafé ist etwas für großstädtische KatzenliebhaberInnen


Am Dienstag mit einer Freundin getroffen. Ich hatte vorgeschlagen, in den Katzen-Tempel zu gehen, ein Katzen-Café in der Türkenstraße. Sie war als Katzenmensch gleich Feuer und Flamme. Es ist, wie es klingt: Im gesamten Café laufen Katzen herum, die erstaunlich gut erzogen und extrem geduldig sind. Ich hätte das halbe Dutzend Kinder jedenfalls schlechter ertragen als die Katzen. Bevor sich die TierschützerInnen bei mir melden: Die Katzen haben ihren eigenen Rückzugsraum, wohin sie gehen können, wenn es ihnen zu viel wird. Sie werden ausschließlich vom Personal gefüttert - ohnehin würden ihnen die Speisen nicht schmecken, da alles vegetarisch/vegan ist.

In Japan, wo die Katzencafés ursprünglich herkommen, bucht man Zeit mit den Katzen, in der man dann Katzen streicheln darf. Das führt dazu, dass Gäste wesentlich forscher mit den Katzen umgehen - für die Tiere bedeutet das viel mehr Stress, zumal die Räume kleiner sind als in Deutschland. Den Katzen im Münchner Café geht es dagegen exzellent. Auch die Sauberkeit ist hervorragend.

Die Erdnussbutter-Schokoladentorte mit Gojibeeren ist übrigens hammermäßig. Und meine Freundin eine ausgesprochene Katzenflüsterin, sodass mir dieses Bild gelang. =3


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3. Nägel lackieren ist mein kreativer Outlet - aber anscheinend nicht ausreichend

Ja, ich lackiere nach wie vor - eine Zeitlang hatte ich keine Lust (*gasp*), dann waren meine Nägel so porös, dass ich zwangspausierte. Jetzt aber wieder - und mithilfe von japanischen Nailart-Magazinen und der grandiosen Seite www.colorlovers.com, auf der man unendlich viele Farbpaletten für verschiedene Zwecke findet, ist das auch recht einfach.
Nägel lackieren reicht mir aber wohl nicht mehr, ich ertappe mich dabei, Nähtutorials anzusehen und habe bereits unsere Loggia/unseren Balkon aufgeräumt. Gartenausstattung ist schon bestellt und kommt Anfang Mai. Hoffentlich schaffe ich es, ein Vorher/Nachher zu posten. Ich habe keinen ausgesprochenen grünen Daumen, aber sei's drum: Versuch macht klug.

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4. Thailändisch essen - drei von fünf Chilis in der Schärfeskala ist schon ziemlich scharf

Am Samstag war zunächst Frühjahrsputz angesagt. Mithilfe von Storebror die Wohnung auf Vordermann gebracht. Wieder kurz mit dem Gedanken gespielt, eine Putzfrau zu besorgen. Festgestellt, dass ich Scheu davor habe - wenn die eigene Mutter geputzt hat, fühlt man sich komisch, auf die Seite der Auftraggeberin zu wechseln. Zumindest geht es mir so. Abends ging es mit A. zum Thailänder Ratchada in der Schwanthalerstraße. Eine der tatsächlich unschönen Gegenden Münchens, nur das Deutsche Theater vermittelt Schönheit inmitten hässlicher Klötze. Das Lokal vermittelt mir das Gefühl von Vietnam: Es ist bunt (Kitsch! blinkende Schilder!! Pink!!!), es ist laut, es ist heiß (das Restaurant ist in einem Keller gelegen ohne direkte Frischluftzufuhr), es wird viel gelacht und gegessen. Die Kundschaft ist sehr Thai. Kurz: das pralle Leben. Das war vier Stunden lang lustig, aber wir gingen, als die Temperaturen eine tropische Schwüle erreichten und bevor das Karaoke losging. Im Gegensatz zu Südostasien hat München einen unschlagbaren Vorteil: Man kann hinaustreten und es ist einigermaßen kühl und still.

Das Essen war übrigens ausgezeichnet - ich hatte Tilapia in einer sehr würzigen Suppe/Soße mit Knoblauch, Limettensaft, Chinakohl und reichlich Schärfe. Laut Karte war es Schärfegrad 3 von 5 - gut scharf, aber noch gut essbar für mich. Ich schätze, dass Schärfe 4 für mich noch machbar wäre, bei 5 müsste ich wohl die Waffen strecken. Habe die Augen des Fisch gegessen und dabei an meinen Vater gedacht, der  Fischaugenessen liebt.

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Zum Nachtisch gab es Bällchen aus Klebreismehl mit süßer Kokosfüllung (vermute ich). Festgestellt, dass süße Klebreisbällchen _das_ Süßgericht schlechthin in Asien darstellt. In Vietnam gibt es sie ähnlich, allerdings mit einer süßen Mungbohnenfüllung und einem Ingwersirup oben drauf. Köstlich. Oder als frittierte Sesamkugeln. Ebenfalls köstlich. Aus Japan kennt man Mochi, die eine Füllung aus süßen roten Azuki-Bohnen. Auch köstlich. China kennt ähnliche Varianten und vermutlich viele weitere asiatische Länder mit Reis als Hauptnahrungsmittel.

Übrigens war das für mich das erste Mal in einem Thai-Lokal - ja, ich weiß. Aber meine Überlegung war immer: Warum sollte ich in ein solches Lokal gehen, wenn ich zuhause ohnehin asiatisch esse. Welch Ignoranz. Aber Thai-Essen ist ganz anders als vietnamesisches Essen: Sehr viel mehr Kokosmilch und Chili. Aber sehr empfehlenswert.

Euch allen einen guten Wochenstart.

Wochenrückblog 27.04.2015 - Der Schwesterncode, leere Schoko-Eier und Neonazis

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Wieder eine Woche vorbei. Die Woche wäre zum Ende hin fast in die Hose gegangen und zeigt, welchen Einfluss Rassismus in meinem Alltag immer wieder hat. Ein Blick zurück.

1. 420
Wollte am Montag eigentlich Kiesel an der Isar sammeln gehen, um damit die Drainage-Lage meiner Balkonkästen zu machen (so hieß es in einem schlauen Buch). Habe beschlossen, das auf einen Tag zu verschieben, der nicht Hitlers Geburtstag ist. Darauf hatte mich meine Twitter-Timeline hingewiesen - an solchen Tagen sind vermehrt Leute unterwegs, denen ich unter keinen Umständen begegnen möchte. Ein kleines Beispiel, wie es sich als Person of Color in Deutschland so lebt. Mir wäre wirklich lieber, wenn wir stattdessen den Weed-Culture-Feiertag begehen würden.

2. Mehr von Model Brother
Ich hatte ja schon hier erwähnt, dass mein kleiner Bruder gelegentlich modelt. Diesen Link schickte er mir, während ich auf der Arbeit war: KLICK! Schick schick, muss ich sagen. Die Marke Prancing Leopard sagt mir nichts, Yoga mache ich nicht, aber die Sachen sehen saubequem aus. @der_welle hat auf Twitter in die Runde gefragt, ob Models sich eigentlich über die Sachen, die sie tragen (müssen), lustig machen. Eine Nachfrage bei Brüderchen ergab: Er tut das nicht, wenn etwas ganz ausgefallen ist, verdient es das Adjektiv "sick", was sowohl positiv als auch negativ bzw. ironisch negativ, also positiv zu verstehen ist. Alles klar? Ja, nee, is klar.

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3. Schokoladenhohlkörper
Laut kirchlichem Kalender ist nach wie vor österliche Festzeit (sie geht noch bis Pfingsten), also ist es völlig legitim, bis weit in den Mai hinein Ostereier zu essen. Letztens aber erlebte ich eine herbe Enttäuschung: Eines der versprochenen gefüllten Ostereier von Reber war nicht gefüllt. Und das ausgerechnet bei der Sorte "Bayrisch Creme". Allmächd, sagt die Fränkin in mir. Ich schoss ein Foto und sandte es gleich an die Firma. Die versprach mir Wiedergutmachung in kulinarischer Form. Ich werde davon berichten, wenn ich ein Unboxing machen darf.

4. Der Schwesterncode
Wie ihr wahrscheinlich wisst, schreibe ich auf Mädchenmannschaft eine quasi-monatliche Kolumne in Sachen persönlicher Feminismus-Erfahrungen. Dieses Mal beschäftige ich mich mit dem Thema weiblicher Solidarität und Unterstützung. Vielen wird von der Serie "How I Met Your Mother" der "Bro Code" vertraut sein, der sich meist nur auf Frauen abschleppen und Männerfreundschaften bezieht. Ich habe für mich festgestellt, dass es so etwas ähnliches bei Frauen gibt: Eine Art unausgesprochenes Gesetz, wie frau sich gegenseitig unterstützt. Weitere Erkenntnis: Ich sollte meine Trinkgewohnheiten überprüfen - kann ja nicht sein, dass ich mich ständig verschätze. Hier gehts zum Text.


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5. Neonazi-Alarm in Mering
Am vorgestrigen Samstag von meinen Eltern wieder nach München zurückgefahren. An sich eine unspektakuläre Heimfahrt, wenn ich nicht auf dem Bahnsteig in Mering Gegröle gehört hätte. Der Zug wurde gerade langsamer, ich sah aus den Augenwinkeln schwarze Kleidung, Bomberjacken, die einschlägigen Marken (Ionsdale), geschorene Köpfe - klassische Neonazis. In einer Gruppe. Alkoholisiert. Scheiße. Das bedeutet potenziell Ärger. Sollte ich es aussitzen? Es waren schließlich nur 15 Minuten bis München. Nein, mein Überlebenstrieb übernahm sofort das Kommando. Ich packte meine Sachen und verließ fluchtartig den Zug.
In solchen potenziellen Gefahrensituationen springt sofort mein Selbsterhaltungstrieb an, denn ich habe mir schon früh Gedanken darüber gemacht: Wenn ich bedroht werde, dann wird mir keine/r helfen. Vor allem nicht in einem vollen Zug - Bystander-Effekt und so. Bevor ich also angemacht, verprügelt (oder ermordet) werde, warte ich lieber 20 Minuten an einem zugigen, verregneten Bahnsteig in Mering.
Erst als ich ausgestiegen war und mich gesetzt hatte, merkte ich, wie schnell mein Herz schlug und dass meine Hände zitterten. Glücklicherweise hatte mich die gute Helga auf Facebook angeschrieben, die dann sogleich meine psychische Erstversorgung übernahm: Sie schickte mir das Video einer Skateboard fahrenden Katze.

Rassismus everyone. Zuhause angekommen brauchte ich erst einmal einen Drink.

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6. Nailart und Filmschauen
Der Grund, weshalb mich Helga überhaupt angeschrieben hat, war eine Meldung zu Wearable Tech in Form eines Nagelstickers. Famose Sache, denn damit kann man Tablets und allerhand anderes Gerät steuern. Noch ist es nicht ausgereift, aber ich finde es eine super Idee. Bezeichnend auch, dass eine EntwicklerIN am MIT durch Nailart inspiriert wurde. Daran sieht man wieder, dass Vielfalt zu Innovation führt.
Meine dieswöchige Nailart ist hingegen ganz analog. Mir war nach Pink, denn Pink ist perfekt, um die Stimmung zu heben. Es ist gar nicht so einfach, sich die Nägel zu lackieren, wenn man Film schaut und der Raum abgedunkelt ist. Ich behalf mich mit einer Taschenlampen-App. Das ging recht gut (wie zu sehen ist). Wir sahen übrigens Guardians of the Galaxy (jetzt auf Netflix verfügbar). Der Film war - ok. Nachdem ich zig Tumblr-Posts voller Begeisterungsstürme gelesen hatte, erwartete ich irgendwie mehr. Der Film war nett, nicht zu komplex, handwerklich solide gemacht. Aber nicht so meins. Ich habe generell nicht das Gefühl, dass ich jemals mit Superheldenfilmen warm werde. Man of Steel zum Beispiel war fürchterlich. Ja, ich habs kapiert, Superman = Jesus Christus, können wir bitte die Kreuzigungsanspielungen und den Tropos "Mann der Schmerzen" lassen?

Eine schöne kurze Woche euch allen.

Wochenrückblog 04.05.2015 - Selbstgemachtes, Funktionales Wohnen und Ikea-Speditionen

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Und wieder eine Woche vorbei - das ging ruckzuck. Irgendwo im SZ-Magazin habe ich mal gelesen: "Ab einem bestimmten Alter ist alle drei Monate Weihnachten." Ich bin noch gar nicht auf sommerliche Tage mit lange Sonnenschein eingestellt. Der Mai anscheinend auch nicht - es goss aus Kübeln das gesamte Wochenende.


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1. Hotel Anna
Am Dienstagabend mit einer ehemaligen Kollegin getroffen - wir haben beide in derselben PR-Agentur gearbeitet und auch wenn wir viel gelernt haben in dieser Zeit, wir sind doch ganz froh, jetzt dort zu sein, wo wir sind. Die Ex-Kollegin (nennen wir sie P.) hat vor kurzem ihre Doktorarbeit nach langen Jahren Doktorandin-Dasein endlich fertiggestellt und die Verteidigung überstanden. Das Thema ist durchaus spannend: Die ersten Studentinnen an Münchner Universitäten aus historischer Sicht. Wir waren im Hotel Anna gegenüber vom Mathäser, das Münchner Schick verströmt, aber nicht unangenehm ist (ich fühle mich als Arbeiterkind recht schnell irgendwo "falsch"): Alles sehr "wir-lassen-geschmackvoll-den -Feierabend-ausklingen"-mäßig, aber nett. Der Service zumindest war makellos. Von P. ein Kompliment bekommen, dass mir Office-Look hervorragend stehe. Ich sähe nicht verkleidet aus.

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2. Selbstgemachte Tasche
Von der Nähmaschine hatte ich schon erzählt: Von meiner Mutter habe ich ihr altes Gerät in Pflege genommen, inklusive Garantieschein und Quittung von vor 20 Jahren: Damals kostete sie ganze 299 Mark bei Quelle. Und sie funktioniert noch. Ich hasse es ja, mir neue Geräte anschaffen zu müssen. Egal ob Smartphone, Computer oder Haushaltsgeräte: Fast alles hatte ich von Geschwistern oder Eltern geerbt, die sich neues anschafften, während die alten Sachen noch einwandfrei waren. Ok, mein Fairphone bezahlte ich selbst, ebenso meinen Laptop. Aber prinzipiell sehe ich keinen Vorteil darin, mir Neues zu kaufen, wenn ältere Geräte ungenutzt im Keller verstauben.
Doch ich schweife ab: Den Feiertag nutzte ich, um mein erstes Nähprojekt in Angriff zu nehmen: eine Wendetasche. Dank eines gut gemachten Videotutorials (was würde ich ohne YouTube tun?) gelang die Tasche beim ersten Versuch. Nächstes Mal versuche ich mich an einem etwas dickeren Stoff in Blau. Es ist ein herrliches Gefühl, etwas mit den eigenen Händen hergestellt zu haben. Der Mensch braucht so etwas vermutlich, um Kopf und Körper zusammenzubringen.

3. Funktionales WG-Leben
Dieser Artikel auf jetzt.de beschäftigte mich mehr, als er hätte sollen: Hier geht es um ein neues Wohnkonzept aus (na klar) Berlin, bei der Menschen in einer WG leben. Doch anders als im üblichen Modell der Wohngemeinschaft gibt es keine eigenen Zimmer für die BewohnerInnen, sondern nur noch "Funktionszimmer": Geschlafen wird in einem Zimmer, gegessen und gewohnt im nächsten, gekocht im übernächsten. Ein Privatzimmer gibt es als Rückzugsraum, das im Text plakativ als "Sexzimmer" betitelt wurde.
Nun können Leute wohnen, wie sie wollen, wenn ein solches Modell funktioniert, gut für sie. Doch für mich klang dieses Konzept wie die WG aus der Hölle: Diese WG scheint darauf ausgelegt zu sein, Privatheit nur noch zweckgebunden (etwa für Sex) zu erlauben. Etwas Übergriffigeres kann ich mir kaum vorstellen. Ich liebe meine Privatheit, brauche meinen eigenen Raum, um mich ausbreiten zu können. Das sage ich als jemand, die jahrzehntelang mit Schwesterherz ein Zimmer geteilt hat. Vermutlich stört mich diese Kollektiv-WG, weil sie mir scheint wie eine Ausgeburt weißer, mittelschichtiger Weltverbesserungswut, die nur aus Selbstkasteiung und Askese besteht. Ich empfinde es beinahe als zynisch, dieses Leben als neuen Lifestyle zu verkaufen, während andere Leute gar keine andere Wahl haben, als so zu leben. Ähnlich sehe ich den Minimalismus-Trend: Ich mag die Idee des Downsizing und Downgrading, aber diese Einstellung muss man sich leisten können: Menschen, die so aufgewachsen sind, dass sie immer alles hatten, haben mehr "innere Ressourcen" - die brechen nicht in Panik aus, wenn sie nur drei Pullis und fünf Unterhosen haben. Andere, die Mangel erlebt haben, spüren schnell, wie bedrohlich "Nicht-haben" ist.


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4.  Ausgehen in Obersendling
Das Wochenende verbrachte ich mit dem Gefährten (ja, der ist neu in meinem Leben, Details folgen noch). Lustig, dort wo er wohnt, arbeitete ich früher einmal (wie auch Kollegin P.). Der Weg von mir aus war also selbsterklärend. Wenn man irgendwo in der Nähe abends essen gehen will, gibt es nicht viel - außer griechischen Lokalen in unterschiedlicher Qualität. Der nächste war nur zehn Gehminuten entfernt. Ich war schon lange nicht mehr bei einem klassischen griechischen Restaurant in Deutschland, und hatte dementsprechend vergessen, welche Fleischberge dort serviert werden. Es war in Ordnung, die Kellner waren nett und bemüht, aber als Souvenir roch ich danach wie eine Garküche. Den Gefährten störte es nicht, mich umso mehr, weshalb ich gefühlt eine halbe Flasche Summer by Kenzo auf mir versprühte. Garküche an einer Blumenwiese, mmmhhh...


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5. Ikea - the bane of my existence
Viele Leute werden es nicht glauben, aber in meinem Leben habe ich erst einmal einen Ikea betreten. Damals in Norwegen war das die einzige Möglichkeit, günstig an Möbel zu kommen (Norwegen = teuer). Außerdem gab es den superpraktischen Shuttle-Bus, der direkt vom Wohnheim zum Ikea-Center fuhr. Diesen Luxus habe ich in München nicht. Anstatt also meine kostbare Freizeit in einem überdimensionierten Möbelhaus zu verbringen, kaufte ich meine Gartenmöbel online (ihr erinnert euch an meine Balkongarten-Pläne). Um 7 samstags erhielt ich den Anruf vom Speditionstypen. Der sprach leider so schlecht Deutsch, dass ich zwei Minuten erst einmal gar nichts verstand. Ich war wortwörtlich noch am Schlafen. Um 8 Uhr früh dann die Lieferung. Ich war nach wie vor komplett schlaftrunken, als ich die Lieferung annahm, weshalb mir entging, dass sie nicht ganz vollständig war. Erst nachdem ich den Lieferschein unterschrieben hatte, fiel mir auf, dass zwei Packungen der Holzfliesen fehlten. Ich rief schnell den Speditionstypen an und erklärte, was das Problem war. "Service anrufen" war die lapidare Antwort. Großartig. Ich kämpfte mich tapfer durch das Menü in der Telefonschleife (merke: nicht zu monoton sprechen, sonst funktioniert die Spracherkennung nicht). Dann endlich einen Menschen erwischt. Eine Berlinerin oder Hallenserin, die sogleich eine Nachlieferung veranlasste. Und nebenbei bemerkte, dass sie mit ihrer Freundin die selben Holzfliesen für die gemeinsame Wohnung kaufen müsse. Ich freute mich, dass sie das ganz selbstverständlich sagte. Jetzt heißt es warten. Aber der Balkon wird schon gut - ein konstanter Work-in-progress.

Naekubi auf Tinder Part 1: Warum ich keine asiatischen Menschen date(te)

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Eigentlich hatte ich vor, über Tinder aus Sicht einer Asiatisch-Deutschen zu berichten und von meinen Dating-Erfahrungen zu sprechen. Tinder im Selbstversuch also. Es gibt schließlich unzählige Selbstversuchbücher, von 30 Tage Couchsurfing über ein Jahr lang nur ein Kleid tragen bis hin zu nichts mehr aus Plastik benutzen. Warum also nicht Tinder unter die asiatisch-deutsche Lupe nehmen? Aber hier geht es um mehr als nur um neue Technologien - sondern um die Bestimmung meines Ichs in einem Koordinatensystem, in dem ich irgendwo am Rand verortet bin.

Tinder als Einstieg ins Online-Dating

Tinder ist diese ominöse Dating-App, wo man allein aufgrund äußerlicher Merkmale und einer sparsamen Selbstbeschreibung Menschen kennen lernen kann. Vom Facebook-Profil werden Vorname, Alter, Profilfotos und Interessen gezogen. Anhand der Ortsbestimmung gibt die App an, welche potenziellen PartnerInnen im gewünschten Alter und der angegebenen Entfernung erreichbar sind. Mal von dem datenschutzrechtlichen abgesehen, ist die App vor allem für schnelle sexuelle Kontakte gedacht, neudeutsch "casual dating". Viele verwenden es so (wogegen nichts zu sagen ist). Aber mehr und mehr Menschen verwenden Tinder, um ernsthafte Beziehungen zu suchen.

Die App ist der sanfte Einstieg in die forcierte Partnersuche: Im Gegensatz zu ernsthaften Datingportalen gibt sich Tinder locker-flockig, die App umweht der Flair des Lässigen, Unverbindlichen, und ermöglicht mit seiner niedrigen Einstiegsschwelle den perfekten Start ins Dating selbst für hochseriöse Menschen. Anders als bei Parship und Co. muss ich mich nicht mit Profilseiten aufhalten, in denen ich Lebensmotto und am besten meine Lieblingshandseife angeben soll. Stattdessen wird es UserInnen überlassen, mit Bildern und im Chat von sich zu überzeugen. Verpflichtungen und Verbindlichkeiten halten sich so in Grenzen. 

The Laws of Attraction

So sah ich es jedenfalls, als ich die App herunterlud und mein Profil anlegte. Im September meldete mich an, mit einer Mischung aus Skepsis und Neugierde. Schon im Voraus hatte ich mir eine Vorgabe gesetzt: Keine Ethnie wird bevorzugt oder ignoriert. Ob schwarz, gelb oder weiß: Hauptsache irgendwie interessant. Denn ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich trotz meiner Einstellung für mehr Vielfalt und gegen Rassismus bisher nur mit Westlern Beziehungen hatte. Zudem stellte ich fest, dass ich tendenziell europäische Gesichter bevorzugte, was ich sofort dumm und engstirnig fand.

Das passierte unweigerlich, weil ich weißen Menschen sehr viel häufiger begegnete als alle anderen Ethnien zusammengenommen. Nicht, dass ich andere offen abgelehnt hätte - es waren einfach sehr wenige. Dazu war so gut wie nie jemand dabei, den ich attraktiv gefunden hätte. Lag das daran, dass sie anders als der weiße Durchschnitt aussahen oder weil wir wirklich auf Persönlichkeitsebene nicht kompatibel waren? Sowohl das eine wie auch das andere hielt ich für möglich. Denn es gibt kaum etwas politisch Inkorrekteres als unsere Partnersuche und empfundene Attraktivität. Ein gutes Erklärvideo bietet Dr. Doe von Sexplanations:



Wir alle haben ein bevorzugtes "Field of Eligibles", also ein Spektrum von Menschen, die für uns als PartnerIn infrage kommen. Welches Alter, welches Geschlecht und auch welche Ethnie gehören als Faktoren dazu. In meinem Field of Eligibles kamen nie Menschen mit asiatischer Herkunft vor. Ich lehnte es sogar offen ab, mich auch nur mit jemandem meiner eigenen Ethnie zu treffen. Seltsam? Paradox? Vielleicht auf den ersten Blick.

Der Wurm unter der Lupe

Auf den zweiten Blick zeigt sich ein unübersichtliches Feld von Abgrenzung, Verdrängung und erlerntem Rassismus. Ich weiß nicht, wann ich es in meinem Leben spürte, es muss früh gewesen sein: Ich bemerkte, dass es zwischen mir und den anderen Menschen um mich herum einen Unterschied gab. Diese Menschen mussten bestimmte Fragen nicht beantworten; die wurden nicht ständig gefragt, woher sie kommen oder was für eine Sprache sie zuhause sprachen. Diese Menschen zeigten mir damit, dass ich anders war. Asiatisch eben.

Mit dem Anders-Sein hatte ich immer Probleme. War es zu viel verlangt, genauso behandelt zu werden wie die anderen und nicht wie ein Sonderling? Nicht betrachtet werden wie ein interessantes Studienobjekt, ein Wurm unter der Lupe? Ich hasste die Blicke, die Fragen, das zugeschriebene Fremdheitsgefühl, das mein Aussehen auslöste. In einem schleichenden Prozess begann ich, mein Aussehen abzulehnen. Schließlich war es der Grund, warum ich so anders behandelt wurde. Ich konnte noch so perfekt deutsch sprechen, noch so gut und fleißig in der Schule sein - ich würde immer die Andere bleiben, weil meine Haare ein bisschen dunkler und glatter, meine Augen mandelförmiger und meine Nase flacher waren als beim Durchschnitt. Ich hasste mein Aussehen. Ich schämte mich dafür.

Ich schob dieses Gefühl weg, so gut es ging, doch es holte mich immer wieder ein. Wenn ich einen Korb bekam (was in den awkward teenage years ja häufig vorkommt), dann führte ich es auf mein fremdes Aussehen zurück. Klar, wie konnte ich mir auch einbilden, dass jemand mich attraktiv finden könnte? Ich sah schließlich anders, fremd aus. In meinem Kopf hatte ich ein Bild von mir, das eher Frankensteins Monster als einem Menschen glich. Dann ging der Kreislauf von Selbsthass und Ratlosigkeit wieder los. Dieses Asiatische - ich wünschte es mir weit weg. Ich tat mein Möglichstes, um es von meiner Identität abzuhacken. Ich dissoziierte und verdrängte es ins Schattenreich meines Selbst, wo es lebte und mich heimsuchte, wann immer ich versuchte es zu ignorieren.

Super-Assimiliert und voller Vorurteile

Ich wollte beweisen, dass ich hierher gehörte. Dass ich zu 100% committed war, deutsch zu sein. Vietnamesisch, Asiatisch war out. Möglichst deutsch sein war gut und richtig, weil nur das zählte. Das betraf nicht nur mich, sondern auch mein Beziehungsleben: Klar, äußerlich würde ich nie ein Teil dieser Gesellschaft sein, doch einen weißen Freund zu haben bedeutete, Integrationswillen zu zeigen und nach oben zu daten, denn Menschen weißer Haut schienen besser zu sein als der kümmerliche Rest. Zumindest war es normaler. Seht her, wie assimiliert ich bin! Ich esse Knödel mit Bratensoße, ich habe einen deutschen Freund! Akzeptiert mich! Anders als andere VietnamesInnen mischte ich mich unter die Normalbevölkerung. Meine Einstellung war gut, denn ich trug nicht zur Ghettoisierung vietnamesischstämmiger Menschen bei. Nein, ich mischte mich unters Volk. Unters deutsche, weiße, gewöhnliche Volk.

Außerdem hatte ich aus der Beobachtung von Männern in meiner Verwandtschaft Folgendes gelernt: Asiatische Männer sind (anders als das Klischee im Westen behauptet) gottverdammte Machos und Patriarchen. Sie sind laut, spielen sich in den Vordergrund, wollen alles bestimmen, während die Frauen im Hintegrund bleiben und im Leben wenig zu lachen haben. Mein Vater und meine Brüder waren da anders, aber die waren auch Ausnahmen. (Mutter sagte mal, sie habe meinen Vater geheiratet, weil der nicht viel redete.) Als Feministin sage ich da: Nein danke. Mein selbstbestimmtes Leben wollte ich mir nicht nehmen lassen. Westliche Männer, so meine Überlegung, waren zwar ebenfalls nicht immer Feministen, aber bei ihnen schien mir die Chance höher, dass sie Frauen mit eigenem Willen zu schätzen wüssten. Dass ich hier rein über Vorurteile argumentierte, fiel mir nicht auf.

Kultur und ihr Einfluss auf Attraktivität

Dr. Doe erwähnt es im Video: Die Kultur beeinflusst, wen wir attraktiv finden. Und in dieser Kultur werden bestimmte Menschen nicht als attraktiv gelesen. Dazu gehören gerade asiatische Männer. Nicht nur, dass es nicht allzu viele in Deutschland gibt. Nie sah ich in Medien, wie solche Menschen in Beziehungen aussehen - als Leading Man, versteht sich. Asiatische Männer wurden nie als attraktiv gezeigt, sondern waren entweder Sidekick oder Plot Device. Sie waren keine Helden, sondern Fußnoten. Prädikat: unattraktiv und uninteressant. Was die westliche Kultur von Asiatinnen denkt, ist hinlänglich bekannt.

Letztendlich wollen wir PartnerInnen, die auf einem ähnlichen Attraktivitätslevel wie wir selbst sind. Es tut weh, das zu sagen, aber asiatische Männer empfand ich nie als ähnlich begehrenswert wie den weißen Durchschnitt. Ich lehnte nicht ohne Grund mein Asiatischsein ab, also konnte ich das Asiatische an anderen nicht wertschätzen oder tolerieren. Uns stört das an anderen, was wir an uns selbst nicht akzeptieren können.

Als ernsthafte Person nahm ich auch so etwas Banales wie Tinder ernst: Ich musste mir dazu meinen eigenen Rassismus und meine Voreingenommenheit eingestehen und mir bewusst eine vorbeugende Regel für das Dating setzen: Auch bei asiatischen Männern sollte (und würde!) ich nach rechts wischen, also Interesse anzeigen. Zwar hatte ich keine Ahnung, wie das gehen sollte, da ich noch nie einen für mich attraktiven Asiaten getroffen hatte, aber die Möglichkeit wollte ich nicht von vornherein ausschließen. Was würde ich mit so einem tun? Konnte ich einen Asiaten überhaupt grundsätzlich attraktiv finden? Daran wollte ich denken, wenn es denn so weit kommen sollte.


Fortsetzung folgt...

Die Toten kommen. Aktivismus, Flüchtlinge und politisch motivierte Kunst

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"The Crossing Over", Enamur Reza, licensed under CC 2.0


#dietotenkommen - das Hashtag ging diese Woche durch Twitter und die Medien besprachen die Aktion, mit auseinandergehenden Meinungen und Ansichten. Auf Facebook fragte mich Leserin Xuan, ob ich als PoC meine Ansicht zur Aktion "Die Toten kommen" teilen könnte.

Das "Zentrum für politische Schönheit" transportierte in einer politisch-künstlerischen Performance die Leichname einer Mutter und ihres jüngsten Kindes aus Syrien nach Berlin um sie dort zu bestatten. Die beiden waren auf der Flucht von Syrien nach Europa umgekommen. (Zusammenfassung hier) Meine Gefühle und Ansichten dazu sind - geteilt. Ich erkläre euch genau, woran das liegt.

Menschen als Mittel zum Zweck

Das Zentrum für politische Schönheit hat gute Absichten: Sie wollen die Aufmerksamkeit auf das Flüchtlingsdrama lenken. Die Menschen, die tagtäglich auf armseligste Art und Weise vor unserer Haustür sterben, sollen ein Gesicht und einen Namen bekommen. Wir sollen hinsehen, schockiert sein und unsere politischen VertreterInnen bewegen in Gottes Namen etwas zu tun.
Mit welchen Mitteln man politische Entscheidungen oder "Awareness" erzeugt, ist die Gretchenfrage. Bei "Die Toten kommen" hat man zwei Leichname exhumiert, von Italien nach Deutschland transportiert und bestattet. Ist das makaber oder pietätlos?

Fakt ist: Die Körper dieser Menschen wurden benutzt um eine Botschaft zu transportieren. Menschen sollen, so hat der Philosoph Kant mal gesagt, niemals Mittel zum Zweck sein. Sie sind ihr eigener Sinn und Zweck. Wenn wir die Leichname als Personen betrachten, dann könnte man sagen: Ja, diese Menschen wurden benutzt. Sie können sich nicht dagegen wehren und Einspruch einlegen. Andere Menschen müssen für sie sprechen. Das ist, gelinde gesagt, nicht ideal. Was aber, wenn der "Verwendungszweck" ein nobler ist? Wenn durch diese Aktion auch nur ein Mensch davor bewahrt wird, im Mittelmeer zu verrecken? Aus idealistischer Sicht wäre es weiterhin verboten - Menschen sollen kein Mittel zum Zweck sein.

Doch aus einer pragmatischen Sicht ist es in Ordnung, zumal die Mutter und ihr Kind so wenigstens eine Bestattungszeremonie erhalten haben, wie es sich für menschliche Gepflogenheiten gehört. Ich gehe zudem davon aus (oder hoffe zumindest), dass die überlebenden Familienmitglieder in Vertretung der Verstorbenen ihr Einverständnis gegeben haben. Ich neige zur pragmatischen Lösung, weil das Leben nicht ideal ist und perfekte Lösungen nicht existieren.

Aus kartesischer Sicht (ich denke, also bin ich - d.h. wenn ich nicht mehr denken kann, bin ich auch kein Mensch mehr) sind die Körper nur noch Material. Man könnte alles mit ihnen machen, unter anderem in Berlin bestatten. Das sahen wohl auch die Behörden so: Es war leicht, die toten Flüchtlinge nach Deutschland zu bringen. Nur lebendig ist schwierig.

Über (politisch motivierte) Kunst

Hier kommt meine Chance die Kenntnisse aus dem Kunst-Leistungskurs anzuwenden. Es gibt viele Definitionen, was Kunst leisten soll. Die meisten setzen Kunst mit Schönheit gleich - Kunst als Augenschmaus, als Dekoration über der Couch oder als Beruhigungspille für den Geist. Deshalb stößt moderne Kunst auf so viel Widerstand: Sie ist nicht schön, nicht dekorativ, sondern hässlich, grotesk, unverständlich. Manchmal hat sie eine Agenda. Ist es in Ordnung, wenn Kunst eine Agenda hat?

Es ist selten, dass Kunst keinerlei Ziel verfolgt außer ästhetisch zu sein. Kunst war immer schon belehrend (religiöse Bildnisse), erzählend (Historienmalerei, religiöse Bildnisse), erotisch (Salonmalerei), aufregend (Historienmalerei) und vieles mehr. Politische oder gesellschaftskritische/-stabilisierende Zwecke gab es bisweilen auch. Ob Kunst gut ist oder nicht, machen einige daran fest wie viele Interpretationen sie zulässt. Kunstwerke mit vielen Bedeutungsschichten ist besser als eindimensionale Kunst. Nordkoreanische Propagandagemälde ist demnach keine gute Kunst - sie lässt nur eine Lesart zu: Wie großartig der Führer und Nordkorea sind. Solche Kunst regt nicht zum Nachdenken an, sondern manipuliert uns, damit wir eine bestimmte Emotion fühlen. Ein Zeit Online-Artikel kritisiert an #dietotenkommen genau das: Es hämmere eine Interpretation in den/die BetrachterIn ein. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich mag es nicht emotional manipuliert zu werden. Egal zu welchem Zweck. 

Prioritäten setzen - Menschenleben über alles

Jetzt mal Butter bei die Fische: Ich selbst bin kein Flüchtling, ich musste nie fliehen (außer vor potenziellen Nazis, aber das ist was anderes). Meine Eltern jedoch sind selbst per Boot aus Vietnam geflohen. Sie waren verzweifelt über die Situation nach dem Vietnamkrieg: Die südvietnamesische Seite besiegt, sie als Anhänger des demokratischen (aber korrupten) Südens und als KatholikInnen jetzt massiv benachteiligt in einem sozialistischen Land festgesetzt, wollten weg. Sie hätten es nicht gemacht, wenn es nicht wirklich schlimm gewesen wäre. Niemand verlässt seine Heimat für immer, wenn er/sie nicht dazu gezwungen ist.

Ich versuche mir vorzustellen, was meine Eltern dazu gesagt hätten, wenn ein Künstlerkollektiv eine Aktion wie "Die Toten kommen" veranstaltet hätte. Was gewesen wäre, wenn sie auf der Hölle von Pulau Bidong, zwischen zehntausenden anderer Menschen, krank, hungrig, durstig, sonnenversengt verletzt und traumatisiert von so einer Aktion gehört hätten. Ich glaube, es hätte sie einen Scheißdreck gekümmert. Wenn man in einer so schrecklichen Situation ist, interessieren eine/n nur zwei Dinge: nicht sterben und ein Aufnahmeland finden. 

Letztendlich sind solche Aktionen eher an die potenziellen Aufnahmeländer gerichtet, nicht an die Flüchtlinge selbst. Sie sind diejenigen, über die gesprochen wird, weil wir ihnen nicht zuhören würden, wenn sie selber reden würden. Rassismus halt. Also muss jemand aus den eigenen Reihen mit dem richtigen Stallgeruch kommen, damit wir in Europa hinsehen. Ob das Bewegung in die ganze Sache bringt? Ich hoffe, aber ich zweifle auch.

EDIT: Wir haben noch nicht einmal über die Tatsache gesprochen, dass in der Aktion PoC-Körper von Weißen genutzt werden. Letzten Endes sollen PoC davon profitieren, aber die Aktion riecht auch nach aktivistisch-künstlerischer Masturbation. Hätte es nicht bessere Möglichkeiten gegeben, Aufmerksamkeit zu erregen ohne nach dem kolonialistischen Prinzip "Weiße nutzen Nicht-Weiße für egal was" vorzugehen? Das ist Denkfaulheit und Geschichtsvergessenheit bei den KünstlerInnen.

Fazit

Ich finde die Aktion positiv mit Vorbehalten. Menschen mit Kunst auf Flüchtlingsnöte aufmerksam zu machen, ist an sich etwas Gutes. War die Bestattungszeremonie künstlerisch gesehen der beste Weg? Oder überdeckt der Schockwert die eigentliche Aussage? Ich befürchte, dass die empfundene Pietätlosigkeit den eigentlichen Sinn verdrängt. Und was bringt "Awareness", wenn man selbst nicht die politische Macht hat, die entsprechenden Gesetze auf den Weg zu bringen? Ein/e PolitikerIn muss sich dafür einsetzen. Jemand wie Ernst Albrecht. Noch nie von Ernst Albrecht gehört? Der niedersächsische CDU-Politiker Ernst Albrecht wird von den vietnamesischen Boatpeople nach wie vor verehrt, weil er als erster westlicher Politiker Boatpeople aufgenommen hat. Wer wird heute die Rolle von Albrecht einnehmen? Je länger wir warten müssen, desto mehr Menschen werden auf dem Mittelmeer sterben, jeden Tag.


In eigener Sache: Meine Serie über meine Erfahrungen auf Tinder geht bald weiter. Hätte nicht gedacht, dass Gefühle und Beziehungen beschreiben so schwierig wäre. :D

Naekubi auf Tinder Part 2 oder: Warum ich einen Typ mit Yellow Fever datete

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Bildmaterial zu Tinder Dating. Gebäudefassade mit der Aufschrift webdate.
Tinder Dating.

Dies ist eine Geschichte darüber, wie ich auf Tinder mich mit einem Typen einließ, der irgendwie einen Asiatinnen-Fetisch hatte. Es ist auch eine Geschichte darüber, wie der eigene Anspruch und die Realität aufeinanderprallen.

"Nein, du machst das falsch! Du musst den Stein mehr aus dem Ellenbogen werfen. Ungefähr so..." Mein Tinder-Date und ich warfen Kiesel in die Isar. Das heißt, wir ließen sie titschern. Er demonstrierte die richtige Technik: Den Ellenbogen eng an der Taille, Handgelenk stabilisiert. Aus der Hüfte heraus bewegte er seinen ganzen Rumpf und gab dem Kiesel ordentlich Schwung. Der flache Stein titscherte heftig über die Isar und klackerte auf die andere Seite des Flusses. Ich versuchte es erneut. Mein Steinchen plumpste nach drei Metern traurig ins Wasser und versank glucksend in der Tiefe. Frustriert und peinlich berührt setzte ich mich ans steinige Ufer.

Ich war auf meinem zweiten Date mit meiner ersten Tinder-Bekanntschaft. Er war groß, schlaksig, hatte wellige Haare und war vor allem: Weiß. Bio-deutsch durch und durch. Um uns herum waren viele Familien und Pärchen, die den letzten schönen Herbsttag nutzten, um an der Isar zu fläzen. Eine Weile schwiegen wir uns an, als ich es nicht mehr aushielt und herausplatzte:

"Bist du eigentlich an mir interessiert, weil ich Asiatin bin?"

Mein Date wirkte überrumpelt ob dieser Meta-Frage und suchte sichtlich nach Worten. Er sagte etwas von "Gesamtpaket", "so wie wenn jemand auf Blondinen steht". Mehr brauchte er nicht zu sagen. Ganz klar, mein Date litt an Yellow Fever, einer Krankheit, die viele Männer (Menschen?) im Westen befällt. Hauptsymptom ist ein starkes Faible für asiatische Frauen.

Symptome für "Yellow Fever" hatte es gleich zu Beginn gegeben. In seinem Profil stand Japanisch als Sprachkenntnis. Außerdem war er einmal mit einer Japanerin verheiratet*. Warum ich mich trotzdem mit ihm traf? Es ist Tinder - Leute treffen sich einfach so. Er schien interessant genug zumindest für ein Date zu sein. Er bestätigte außerdem meine Annahme, dass ich nur interessant für Menschen war, die eine Verbindung zu Asien zu haben. Sei es durch Auslandsaufenthalte, Manga oder K-Pop oder um Reisetipps für den nächsten China-Trip zu bekommen. Aber ganz so einfach ist es nicht.

Pretty Fly for a White Guy

Im Nachhinein ist man immer klüger. Da betreibe ich seit Jahren diesen Blog und kämpfe gegen Stereotype und Rassismus. Ich habe mich immer gegen Yellow Fever und die Sexualisierung von Asiatinnen und die Entmännlichung von Asiaten gewehrt. Und dann ließ ich mich auf jemanden ein, der genau das verkörperte, was im Spiel der zwischenmenschlichen Beziehungen falsch lief. Jetzt zeigte sich, dass frühe Prägungen und Muster aus der Jugend sich nicht einfach mit Lippenbekenntnissen abschütteln ließen.

Es ist ein Jammer, wie viel Einfluss Erfahrungen aus Kindheit und Jugend auf uns haben und welche Lügen wir uns über uns selbst erzählen. Etwa, dass anders sein das Gleiche bedeutete wie weniger wert sein. Dass anders aussehen das Gleiche war wie hässlich sein. Dass man dankbar sein musste für jede/n, der/die dich attraktiv fanden. Und dass man gerade als Frau immer freundlich und verständnisvoll sein soll. Und dass weiß sein und weiß sein wollen normal sind.Muss das schön sein weiß zu sein. Das Weiß-Sein ist nie Thema, es ist als Kategorie nicht existent, kurz: Es ist egal. Die wenigsten "Betroffenen" denken sich als Weiße. Sie sind einfach nur Person.

Einfach ist bei mir nichts: In meinem eigenen Bewusstsein spielt sich das Asiatisch-Sein in den Vordergrund. Goethes "Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein" gilt für Leute wie mich nicht. Ich war nie "nur" Mensch.

Manchmal war ich zu wenig. Asiatischsein bedeutete oft nicht vollständig zu sein. Ich war nicht-weiß, nicht-helläugig, fuhr nicht mit meiner Familie in den Urlaub nach Spanien und hatte keine Großeltern, die ständig Kuchen für mich backten.


Manchmal war ich zu viel. Da war etwas an mir, das die anderen entweder gerne hervorhoben oder vollständig ignorierten. Achtlos hingeworfene Bemerkungen von Bekannten, KlassenkameradInnen oder LehrerInnen vereinten sich in meinem Kopf zu einem Bildnis von dem, was sie in mir sahen. Und was ich in mir sehen sollte. "Mach Kung Fu! Sag etwas in deiner Sprache! Deine Nase ist so platt! Deine Haare sind so schön schwarz! Bist du aus China? Du bist so zurückhaltend - liegt das an deiner Kultur?"

So gerne ich mich als "emanzipiert" von diesen Sticheleien und dem Alltagsrassismus sehe, so sehr hatte ich mich daran gewöhnt, dieses Bildnis der anderen für bare Münze zu nehmen. Sich gegen diese inneren Bilder aufzulehnen ist mühsam, eine zugewiesene Rolle zu übernehmen hingegen einfach. Selbst wenn es eine verzerrte, exotisierte Version einer Asiatin ist. Manchmal reflektiert man nicht genug über sich selbst und erwischt einen schwachen Moment. Mr. Yellow Fever war so ein schwacher Moment.

Außerdem: Er war nett genug, dass ich viele rote Flaggen überging. Wie das Noch-nicht-so-ganz-getrennt-von-der-Exfrau. Dass die (Ex-?)Frau Japanerin war. Dass er mich auf eine Geschäftsreise einlud, um im Nachhinein "meinen Anteil" des Hotels zahlen zu lassen (genau abgezählte 16 Euro). Dass er bei unserem zweiten Date mir dozierte, wie ich Kiesel zu werfen hatte.  Ich bin vielleicht zu weich, zurückhaltend und zu verständnisvoll, was auch so eine angeblich asiatische Rolle ist: Man sagt zu vielem OK und findet sich in einer Situation wieder, die man nie wollte.

Win some, lose some

Irgendwann im Februar war die Sache vorbei - hätte nicht gedacht, dass mal jemand mit mir per Chat Schluss macht. (Schreckliche Dinge, die man angeblich mal gemacht haben sollte: Entlassen werden, per Chat Schluss gemacht bekommen und einen geliebten Gegenstand verlieren. Alles erledigt.) Gründe gab es keine, ich bin mir sicher, es muss etwas Lächerliches gewesen sein. Der passende Abschluss für eine mittelmäßiges Zwischenspiel.

Die ganze Sache war zumindest lehrreich in meiner Selbstvergewisserung. Ich war Asiatin - aber nicht so, wie andere mich haben wollten. Obwohl es nur eine Affäre war, tat das Ende ziemlich weh. Ablehnung mag niemand. Ich hätte mich zurückziehen, Wunden lecken und traurig sein können. Stattdessen tat ich das genaue Gegenteil: Nach einem Tag stürzte ich mich wieder in Tinder. Es sollte das letzte Mal sein.

Fortsetzung folgt...



*Er behauptete, von ihr getrennt zu sein, aber ich bin bis heute nicht sicher, ob dies der Wahrheit entspricht.

SchleFaZ - das schlechteste Fernsehen aller Zeiten, das anti-asiatische Ressentiments bedient

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Yellowface, Transphobie und Fatshaming gesucht? - SchleFaZ bietet alle drei.

Blogleserin Maria D. schickte mir den Link zu Oliver Kalkofes Sendung "SchleFaZ - die schlechtesten Filme aller Zeiten", laut Wikipedia eine Satiresendung auf TELE 5, die B-Movies aufs Korn nimmt. In der neuesten Ausgabe von SchleFaZ geht es um einen Eastern: Oliver Kalkofe und sein Partner Peter Rütten sehen sich diesmal einen Hongkong-Klamauk-Streifen an, der im Deutschen den so rassistischen wie dämlichen Titel "Schlitzohr und Schlitzauge - Der Dampfhammer von Send-Ling" trägt. Ich denke, das Problem wird schnell deutlich.





Der Film stammt von 1979 und kam Anfang der 80er in Deutschland in die Kinos. Man sieht schnell, dass dieser Film günstig produziert ist, schlecht geschrieben und gemacht wurde, mit einem Plot so löchrig wie Emmentaler. Das gesamte Geld des Films ging vermutlich für die Kampfchoreographien und Sound-Effekte drauf. Das kann und darf man natürlich kritisieren, was Oliver Kalkofe und Peter Rütten ausgiebig tun. Den Rassismus, der die gesamte deutsche Fassung durchzieht wie der Schweißgeruch in der Münchner U3 im Hochsommer kurz nach 17 Uhr, lassen sie aber unberührt. Noch schlimmer, sie verstärken ihn durch ihre "Satire" noch.

"Der Dampfhammer von Send-Ling" - eine Filmfassung voller Rassismus


Da wäre der Titel "Der Dampfhammer von Send-Ling, oder: Schlitzohr und Schlitzauge", den Kalkofe und Rütten lediglich als unlustiges Gimmick erwähnen. Dass er zutiefst rassistische Klischees von der komischen chinesischen Sprache abbildet und dass Schlitzauge für AsiatInnen eine ungeheuer beleidigende Bezeichnung ist, ähnlich dem N-Wort? Nicht kritikwürdig, im Gegenteil: Gleich zu Anfang machen sie mit der Nennung aller Beteiligten sowie den dazugehörigen Namen klar, dass sie Kantonesisch für maximal witzig halten. Im Englischen heißt der Film lediglich Crazy Couple und spielt auf die beiden etwas eigenartigen Hauptcharaktere an, die, obwohl sie sich nicht mögen, als Team zusammenarbeiten müssen. (Ja, Ableismus, ich weiß. Wir behandeln hier eine Diskriminierung nach der anderen.)

Zum anderen ist da die übertrieben auf Klamauk getrimmte Synchronisation mit Dialektsprechern, die sicherlich auf der Idee fußte: "Stellt euch vor, wenn ein Chinese Bairisch sprechen würde! Oder berlinerisch! Oder sogar schwäbisch! Das wäre sooo lustig!" Ob die Figur Sek Tin Kwan im Original auch eine "uneindeutige" Sexualität hat, ist schwer zu sagen. Die Synchronisierung suggeriert, dass er homosexuell ist. Auch das ist der Sendung eine Tirade an nicht-lustigen Beleidigungen wie "Tunte" wert.

Der Film wird in der Sendung ganz gezeigt, gespickt mit Einblendungen, sogenannten Captions, die lustig sein sollen. Auch hier ein ganzer tiefer Griff in die rassistische Klamottenkiste: Der Affe vom Anfang des Films wird natürlich "als Proviant" verwendet, weil ChinesInnen ja "alles essen, was einen Puls hat" (O-Ton Rütten). Die kulturellen Essenspraktiken in China sind wesentlich komplexer, wie ein Artikel des SZ Magazin zeigt. Darauf kann man aber nicht eingehen, weil schon der nächste rassistische Gag jagt: Es geht weiter mit Begriffen wie "geistesgestörte China-Transe" als Bezeichnung für die unattraktive, dicke, scheinbar geistig zurückgebliebene Tochter des Arztes, deutlich sichtbar gespielt von einem Mann. Wow, Fat Shaming, Ableismus, Transphobie und Rassismus in einem Ausdruck! Reife Leistung. Noch viele andere Begriffe stehen in den Einblendungen, die sich bei mir jedes Mal wie ein Schlag auf den Solarplexus anfühlten: Mir blieb vor Entsetzen die Luft weg.

Der selbe Fehler wie bei Colbert


Satire ist an sich schon in Ordnung. SchleFaZ macht einen guten Job, die schlechte Produktion, die ständig wechselnden Dialekte bei manchen Charakteren, den Plot, der in alle Richtungen mäandert und die völlig überzeichnete Schauspielerei herauszustellen. Was er aber geflissentlich übersieht, ist der absolut rassistische Unterton der deutschen Fassung. Der gesamte Film wurde unter unglaublich rassistischer Prämisse vermarktet.

Und Kalkofe und sein Partner machen munter dabei mit. Yellowface, das Lustigmachen über kantonesische Namen, die Captions. Das Verstärken aller denkbaren Klischees. Keine beißende Kritik zum Filmtitel, der extra beleidigend für asiatische Menschen ist, oder dass über die neue Namensgebung von Charakteren (Li Mops, WTF?) und die Synchronisierung asiatische Menschen lächerlich gemacht werden. Das alles hätte man kritisieren müssen und wäre wesentlich intelligenter, als qualitative Kritik an einem Hongkong-Streifen zu üben. Englischsprachige YouTube-Filmkritiker sind SchleFaZ in Sachen Originalität und Witz meilenweit voraus - da wurde ich noch nie beleidigt, aber totgelacht habe ich mich dennoch.

Es ist dasselbe Spiel wie mit #CancelColbert, wo Steven Colbert versucht hat, die Mikroaggressionen und den Alltagsrassismus gegen Native Americans zu enttarnen und dadurch zum Rassist und Aggressor gegen asiatische Menschen wurde. SchleFaZ schlägt in dieser Episode in die selbe Kerbe. Kalkofes Counterpart Rütten spielt den dummen, begrenzten, vorurteilsbehafteten Bauern, der keine Ahnung hat und alle seine Ressentiments vom Stapel lässt. Er macht das so überzeichnet, dass es eigentlich klar sein sollte, dass es uneigentlich und damit satirisch gemeint ist. Diese Lesart ist aber kein Selbstläufer.

Satire als Mobbing


Satire, die nach unten tritt, ist vor allem eins: systemkonformes Mobbing. Ein wissenschaftlicher Artikel aus Personality and Social Psychology Review beschäftigt sich mit "Disparagement Humor", also herabwürdigendem Humor. Darin kommen Ford&Ferguson zu folgenden Schlüssen:

Herabwürdigender Humor hat gesellschaftliche Folgen und ist stillschweigende Duldung von Diskriminierung

Humor in den Medien wie der bei SchleFaZ steckt den Rahmen ab, was in unserer Gesellschaft OK ist und was nicht. Die Sendung suggeriert: Es ist in Ordnung, sich über AsiatInnen lustig zu machen. Dadurch, dass die Herabwürdigungen in einem leichten, humorvollen Kontext passieren, ist es schwer für die Herabgewürdigten, sich dagegen zu wehren und die Konversation auf eine ernsthafte Ebene zu bringen: "Ist ja alles nur Spaß!""Verstehst du keine Witze?""Da musst du drüber stehen" Die Betroffenen werden dadurch systematisch nicht ernst genommen und ihre Sichtweise geleugnet.

Bei Menschen mit vielen Vorurteilen sorgt herabwürdigender Humor dafür, dass sie ihre Vorurteile als gesellschaftlich akzeptiert ansehen 

Satire soll eine Überzeichnung der Wirklichkeit sein, so stark, dass alle BetrachterInnen die Absurdität und Falschheit der Aussagen erkennen. Aber was Wunder: Das funktioniert nicht bei Menschen, die diese Absurdität als Wahrheit ansehen! Es gibt in diesem Land nun einmal viele Menschen, die es völlig in Ordnung finden, Menschen mit anderer Herkunft als Witzfiguren oder gar als Feindbilder zu betrachten. Während Ford&Ferguson auf Menschen ohne Vorurteile keinen Effekt von herabwürdigendem Humor feststellen konnten, liegt der Fall ganz anders bei solchen, die ohnehin schon Ressentiments hegen.
 
Menschen mit vielen Vorurteilen nutzen herabwürdigenden Humor als Vorlage, wie sie Fälle von Diskriminierung bewerten sollen

Nehmen wir an, ich würde auf der Straße als Hundefresser, Hongkong-Hampelmann oder Pekingoper-Psycho (merke: alles Begriffe aus der Sendung!) bezeichnet. Wie groß haltet ihr die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der die SchleFaZ-Sendung super fand, mir zur Seite springt? Ich wage zu behaupten: Null. Eher würden sie sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, von wegen "Du hast SchleFaZ auch gesehen! Geiler Scheiß!" Durch diese Satire fühlen sie sich bestätigt, dass ihre Ansichten richtig, möglicherweise sogar die Mehrheitsmeinung sind. Jemand, der/die SchleFaZ' rassistische Witze lustig findet, wird vielleicht nicht sofort ein Flüchtlingsheim anzünden. Aber er/sie wird vermutlich nichts dagegen unternehmen.

Denk ich an Deutschland in der Nacht...

Die beiden Moderatoren verstärken und bestätigen nur den Rassismus des "Dampfhammer von Send-Ling". Es ist zwar nett, dass Peter Rütten "irgendwie exotisch aussehende Menschen Dialekt sprechen lassen" nicht lustig findet, das macht aber die alliterierende Anti-Asiaten-Ansprache von 30 Sekunden vorher und den gesamten rassistischen Ton der Sendung nicht wett.

Wir leben in einem Land, wo wieder Flüchtlingsheime brennen, wo Menschen auf der Straße bedroht werden. In Deutschland sterben Menschen, weil sie anders aussehen, sich anders kleiden oder woanders herkommen. Die Politik unternimmt zu wenig, sondern überlässt den Schreihälsen von Pegida und Heimatfront das Feld. Das ist das gesellschaftliche Klima in diesem Land. Das ist die Wirklichkeit.

Dann kommt ein mittelmäßiger Fernsehspaßmacher daher und reißt Witze, die er glatt hinter dem Sofa des Propagandaministeriums gefunden haben könnte. Wie kann das nicht aus demselben verrotteten Holz geschnitzt sein? Kalkofe gießt mit SchleFaZ vielleicht kein Öl ins Feuer, aber Sägespäne legt er gerne bereit.

Bestätigung der rassistischen Norm. Vielen Dank für nichts.

Neues Blogdesign!

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Joy! - Luca Rossato, CC

Die Feedly-LeserInnen haben es vermutlich noch nicht bemerkt, aber mein neues Blog-Design ist fertig! Ich freue mich sehr darüber :) Diesmal habe ich mehr Neuerungen eingeführt, denn das Layout ist ganz anders.

Das Logo. So schön, nicht wahr? Ich blieb natürlich der Banane treu, aber das Design finde ich zeitgemäßer und puristischer.

Oben in der Navigationsleiste finden sich unter Kategorien alle Artikel, grob geordnet nach Themen: "Alltag" bezeichnet alle Einträge, in denen es um mich und mein Leben geht, "Kultur" enthält alle Medienkritik, "Politik" ist selbsterklärend genauso wie "Nagelkunst". Ich bin noch nicht ganz durch, alle meine Einträge entsprechend zu kategorisieren, aber das passiert noch.

Weiterhin links sind alle Blogeinträge. Neuerdings könnt ihr Artikel nicht mehr ganz auf der Homepage lesen, sondern müsste auf "Read More" klicken. Das ist auch für mich ganz interessant zu sehen, ob sich die Klickzahlen auf meinem Blog erhöhen. In den üblichen Feedreadern seht ihr nach wie vor den gesamten Artikel.

In der Sidebar gibt es alle Kinkerlitzchen wie meine Social-Media-Accounts, beliebteste Artikel ("Sex mit einer Asiatin" ist ein Dauerrenner - Clickbait deluxe!), das Archiv, der Paypal-Spenden-Button (Spenden immer erbeten) und ganz neu: das E-Mail-Abonnement. Ich bitte um Meldung, wenn das nicht funktioniert.

Seit Bestehen meines Blogs habe ich mir etwa jedes Jahr die Mühe gemacht, alles neu zu designen. Warum? Weil mir Gestalten und Designen einfach Spaß macht und ich sonst nicht dazu komme, Sachen zu gestalten. Vielleicht wäre ich unter anderen Lebensbedingungen Designerin für irgendwas geworden, wer weiß. Heute designe ich allenfalls Texte, was auch schön ist.

Nach fast fünf Jahren Danger Bananas deshalb als Schmankerl ein Screenshot, wie mein Blog anno 2010 aussah:


Hach, wie weit wir gekommen sind. Wahrlich a "blast from the past" :)
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